Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken
Gläubigen das Wenige teilte, das er besaß, so teile ich gern meinen Kutschbock mit euch! Liebe deinen Nächsten! Seid Gäste auf der fahrenden Kanzel des HERRN, Brüder in Christo! Doch was ist in der Truhe da?«
Tobias frohlockte. Endlich jemand, der sie mitnahm. Genug der Blasen und lahmen Arme. Wahrlich, der Herr schien ihnen diesen Kauz geschickt zu haben! Dreimal Halleluja!
»Nur meine Bücher und ein paar Kleider.«
Der Evangelist sprang gewandt vom Kutschbock. »Ich helfe dir, mein Bruder Gabriel! Mächtig schwer für ein paar Bücher und Kleider«, sagte er, als er einen der Griffe packte und die Truhe gemeinsam mit Sadik hinter den Bock wuchtete. »Aber Petrus wird auch über diese zusätzliche Last nicht klagen, da ist er ganz wie unser großer Apostel.«
Tobias und Sadik setzten sich zu ihm auf den harten Kutschbock und Petrus trottete los. Himmlischen Eifer legte er aber nicht gerade an den Tag.
»Na, wie habe ich das gemacht?«, raunte Tobias stolz.
»Ich bin schon mal bequemer gefahren – aber auch mühseliger gelaufen«, gab Sadik leise und mit einem Augenzwinkern zurück. »Wenn Allah dir einen Kochlöffel beschert, brauchst du dir zumindest nicht die Hand zu verbrennen.«
Nepomuk Mahn bestritt das Gespräch während der Fahrt fast allein. Sadik beschränkte sich auf ein paar höfliche Floskeln und gab sich dann den Anschein, als döse er vor sich hin.
Tobias hatte nichts dagegen, sich die blumigen Reden des Wanderpredigers anzuhören. Aber das war Nepomuk Mahn auf die Dauer dann wohl doch ein zu kleines Publikum, so dass er zu einer Stunde der inneren Sammlung und Meditation aufrief.
Auch Petrus schien zu meditieren. Tobias hatte den Eindruck, als wäre er mit Sadik zu Fuß schneller vorangekommen. Doch die Höflichkeit verbot es ihm, an dem lahmen Schritt des Pferdes zu mäkeln, zumal Nepomuk Mahn das Schneckentempo offenbar ganz in Ordnung fand. So schickte er sich in das Unvermeidliche und dachte daran, was Sadik über Allah und den Kochlöffel gesagt hatte. Doch als die Sonne rasch zu sinken begann und es immer noch mehrere Kilometer bis nach Bischofsheim waren, wurde er unruhig und vermochte seine Ungeduld nicht länger zu verbergen.
»Kennt Petrus nur dieses eine Tempo, Bruder Nepomuk?«, fragte er schließlich.
»Ist es dir zu langsam, mein Sohn?«
»Na ja, wenn er nicht ein bisschen zulegt, schaffen wir es vor Einbruch der Dunkelheit nicht mehr bis nach Bischofsheim«, gab Tobias zu bedenken.
»Vertraue auf den HERRN! Er wird es schon richten, mein Sohn. Er ist unser Hirte und sein göttliches Auge ruht barmherzig auf uns. Schaffen wir es heute nicht mehr, so wird ein neuer Tag unter Gottes Sonne vollenden, was uns heute nicht mehr gelang«, erklärte er.
Bischofsheim würden sie erst am nächsten Tag erreichen, das wurde zur Gewissheit, als die versinkende Sonne den Himmel in Brand setzte und die Wolken mit flammend rotem Schein überzog.
»Es wird Zeit einen Platz für das Nachtlager zu suchen«, sagte Sadik.
Der Wanderprediger nickte. »Ich kenne da ein ideales Plätzchen. Es liegt gleich hinter der nächsten Biegung. Ein wahres Gottesgeschenk.« Er lenkte den Wagen von der Straße und folgte zwei Spurrillen, die zwischen den Bäumen hindurchführten. Der Weg, der als solcher kaum noch zu erkennen war, schlängelte sich durch ein kleines Waldstück und lief dann im Gras einer sichelförmigen Lichtung aus. Ein idyllischer Teich, halb von Birken und Sträuchern gesäumt, lag vor ihnen. Links davon standen die Reste eines niedergebrannten Hauses, von dem nur noch ein paar Mauerreste und der halb eingestürzte, rauchgeschwärzte Kamin übrig geblieben waren.
»Der Brunnen funktioniert noch!« Bruder Nepomuk wies auf den Ziehbrunnen links von der Ruine. »Nimm den Kessel, der hinten unter dem Wagen hängt! Der Glaube ist die Nahrung der Seele, aber auch der Körper fordert sein Recht.«
Wenig später hatte er ein eisernes Dreibein aufgestellt. Sadik hatte Feuerholz gesammelt und schälte nun Kartoffeln. Nepomuk Mahn saß neben ihm im Gras und zog einen dicken Kanten durchwachsenen Speck aus seinem Proviantsack.
»Oh, ich hab’ mein Messer oben im Wagen. Würdest du mir mal deins überlassen, Bruder Gabriel?«, bat er.
»Aber sicher«, sagte Sadik und reichte es ihm.
Tobias gesellte sich wieder zu ihnen ans Feuer. Er hatte sich um Petrus gekümmert, der ihm nun, da er vom Geschirr befreit war und nach Herzenslust grasen konnte, nicht mehr halb so lahm erschien wie auf
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