Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken
unseren neuen Namen und unserer Vergangenheit als ausgeraubte Schlangenbeschwörer erfahren habe, bevor ich etwas Falsches sagen konnte.«
Jana sah zerknirscht aus. »Tut mir Leid, aber ich war der festen Überzeugung, dass du noch schlafen würdest, wenn ich zurückkomme. Es war dumm von mir.«
»Ach was, ist doch nichts passiert«, wehrte er ab. »Habt ihr Pferd und Wagen verkaufen können? Und wo bleibt Sa … . ich meine, wo treibt sich unser indischer Schlangenbeschwörer Dakis herum?«
»Er ist noch bei Ludwig Leineweber und es kann noch etwas dauern, bis die beiden ihr Geschäft abgewickelt haben«, meinte Jana.
»Aber er wird es schon an ihn loswerden, denn der Karussellbesitzer kann das Fuhrwerk gut brauchen. So, und nun lass uns zusehen, dass wir was zum Frühstück zubereiten. Das Frühstück ist die einzige Mahlzeit am Tag, für die wir uns Zeit nehmen können.«
Jana stellte das Dreibein auf, unter das man Kanne, Topf oder Pfanne aufhängen konnte, entfachte geschickt ein Feuer und bereitete ein deftiges Frühstück aus Kartoffelscheiben, Erbsen, zwei Eiern, Zwiebeln und Speckstreifen. Letztere verschmähte Sadik, der gerade rechtzeitig zum Essen erschien, mit einer gefüllten Börse in der Hand und einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht.
»Schweinefleisch ist für uns Mohammedaner tabu«, erklärte er Jana und setzte sich auf einen der Schemel. »Es ist unrein.«
»Steht das etwa auch im Koran?«, wollte Jana wissen.
Er nickte und rezitierte: »›Untersagt ist euch das von selbst Verendete sowie Blut und Schweinefleisch; das Erdrosselte; das zu Tode Geschlagene; das zu Tode Gestürzte oder durch Hörnerstoß getötete und das von reißenden Tieren Angefressene …‹. Sure 5, Vers 3.«
»Mein Gott, da bleibt ja nicht mehr viel übrig«, sagte Jana erstaunt.
»Na ja, ganz so verkniffen sieht Allah die Sache aber nun doch nicht«, wandte Tobias ein, der im Koran auch recht belesen war. »Wenn mich nicht alles täuscht, hast du ein paar wichtige Zeilen dieses Verses ausgelassen, nicht wahr?«
Sadik schmunzelte. »Du hast schon immer der Neigung nachgegeben diejenigen Stellen des Heiligen Buches zu lernen, die dich von der Strenge der Gebote scheinbar befreien. Aber er hat schon Recht«, sagte er zu Jana gewandt. »Im 3. Vers der 5. Sure heißt es auch: ›Wer aber durch Hunger getrieben wird, ohne sündhafte Absicht – dann, wahrlich, ist Allah allverzeihend und barmherzig‹.«
»Ich werde immer von Hunger getrieben, du nicht auch?« Tobias grinste.
»Mit Hunger ist hier wahre Not gemeint, mein Junge!«, stellte Sadik klar. »Und bei einer Auswahl, wie Jana sie mir anbietet, kann von Not keine Rede sein. Guten Appetit allerseits!«
Sie ließen sich das Frühstück schmecken. Als Tobias die Kanne von der Glut des heruntergebrannten Feuers nahm um den letzten Bissen mit einem Schluck Kaffee hinunterzuspülen, sagte Jana ein wenig zögernd: »Ich habe euch etwas vorzuschlagen.«
Sadik hob fragend die Augenbrauen.
»Nur zu!«, forderte Tobias sie auf. »Um was geht es denn?«
»Reißt mir nicht gleich den Kopf ab. Es ist wirklich nur ein Vorschlag!«, baute Jana vor.
»Wir werden es zu deinen Gunsten in die Waagschale werfen, falls uns danach sein sollte, dir deinen hübschen Hals umzudrehen«, neckte Sadik sie. »Und nun sprich!«
»Wisst ihr, das Geschäft mit dem Kartenlegen läuft nicht so gut, wenn man die Sache allein betreibt und – und zudem noch so jung ist wie ich«, begann sie und spielte nervös mit ihrem Kaffeebecher. »Die Leute glauben einem nicht, dass sie bei einem Mädchen wie mir wirklich etwas für ihr Geld bekommen.«
»Der Aberglaube hat eben tausend verschiedene Gesichter«, bemerkte Sadik ein wenig anzüglich, denn im Grunde genommen hielt er derartige Weissagungen für völligen Humbug.
Tobias warf ihm einen unwilligen Blick zu.
Jana dagegen nahm seine spitze Bemerkung gelassen hin. »Natürlich ist es jedem überlassen, ob er an die Kraft der Karten glaubt oder nicht. Und meist ist es ja auch wirklich Unsinn, was den Leuten da alles vorgegaukelt wird. Aber darum geht es jetzt nicht.«
Sadik nickte. »Ja, das dachte ich mir schon.«
»Ich lebe nun mal davon, dass ich die Karten schlage – und ich glaube daran und sage den Leuten, die mich aufsuchen, auch nur das, was mir die Karten verraten«, fuhr Jana nicht ohne Selbstbewusstsein fort. »Aber es läuft eben nicht so gut, wie ich schon sagte. Und nun ist mir etwas eingefallen, wie ihr mir dabei helfen
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