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Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken

Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken

Titel: Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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Innenleben hat«, sagte Tobias und fuhr mit den Fingern über die Kerben und Zeichen, die in das dunkle, harte Holz geschnitzt waren.
    »Aber wir wissen es eben nicht«, erwiderte Jana ratlos. »Was meinst du, Sadik, sollen wir es dennoch wagen?«
    Sadik schaute kurz auf. »Ich rate davon ab, obwohl ich die Einkerbungen für Zierrat halte.«
    »Aber wenn die Zeichen nichts zu sagen haben, ist es doch egal, wenn wir den Stock aufbrechen«, wandte Tobias ein.
    »Mag sein, mag aber auch nicht sein. Seht euch die dritte Strophe des Gedichtes an. Da heißt es, dass dem Räuber die Beute nur durch einen raschen Vorstoß abgejagt werden kann. Hätte er aufbrechen gemeint, hätte er kaum das Wort ›Vorstoß‹ gebraucht. Man kann vieles gegen Eduard Wattendorf ins Feld führen, nicht jedoch, dass er seiner Muttersprache nicht mächtig wäre. Das Gegenteil trifft zu.«
    Tobias drehte den Stock hin und her, umfasste den Falkenkopf und stach mit dem Spazierstock in die Luft. »Du meinst, dieser Stock passt möglicherweise in irgendeine Art Röhrenschloss, das man nur öffnen kann, wenn man ihn wie einen Stabschlüssel hineinstößt?«
    Sadik zuckte mit den Achseln. »Was spricht dafür – und was spricht dagegen? Frage dich das selber, mein Junge. Ich jedenfalls sehe keine Veranlassung eine voreilige Entscheidung zu treffen.«
    »Sadik hat Recht«, stimmte Jana ihm zu. »Vielleicht ergibt sich aus dem, was Monsieur Roland von Wattendorf geschickt wurde, die wahre Funktion dieses Falkenstockes.«
    Tobias verzog das Gesicht. »Bis wir in Paris sind, ist es noch lange hin. Vier Wochen mindestens!«
    Sadik lächelte. »Geduld ist der …«
    Tobias fiel ihm ins Wort und beendete den ihm wohlbekannten Spruch mit einem Anflug von Verdrossenheit: »… Schlüssel zur Ausdauer! Ja, ja, ich weiß, dein weiser Scheich Abdul Kaum hat ein tröstliches Wort für jede Lebenslage«, brummte er und legte den Stock aus der Hand. Es wurmte ihn ungemein, dass es ihnen nicht gelang, das Geheimnis um den Stock zu lüften.
    Sadik schlug den Koran zu und lehnte sich zurück, denn Tobias’ sichtliche Enttäuschung berührte ihn. »Kennt ihr die Geschichte von der Höhle und der Spinne, die Allah Mohammed sandte, als er in höchster Not war?«
    »Nein«, murmelte Tobias.
    »Erzähl!«, forderte Jana ihn interessiert auf. Sie liebte es, wenn Geschichten erzählt wurden – und diejenigen Sadiks mochte sie ganz besonders. Als sie auf Falkenhof das Krankenbett gehütet hatte, hatte er ihr so manch lustige, aber auch nachdenklich stimmende Geschichte erzählt. Nun war sie gespannt, was es mit der Höhle und der Spinne auf sich hatte.
    »Man schrieb das Jahr 622, als Mohammed und seine Glaubensgefährten von Mekka nach Medina flüchten mussten«, begann Sadik mit der ihm eigenen fesselnden Stimme zu erzählen. »Weshalb der Prophet die Stadt wechseln musste, ist eine Geschichte für sich. Als Mohammed Mekka verließ, befand er sich allein in Begleitung von Abubakr, einem reichen Mekkaner Kaufmann, der zu seinen ersten Anhängern zählte und nicht von ihm gewichen war, während alle anderen Moslems schon im sicheren Medina weilten.
    Mohammed und Abubakr flohen auf schnellen Reitkamelen vor ihren omaijadischen Verfolgern. Doch ihr Vorsprung war zu gering, als dass sie es bis nach Medina hätten schaffen können. Da kriegte es Abubakr mit der Angst zu tun, denn die Wüste war flach, und die Omaijaden waren in großer Überzahl. ›Wir sind nur zu zweit! Wir werden den Tod finden!‹, klagte er. Doch Mohammed antwortete ihm: ›Du irrst, Abubakr, wir sind nicht zu zweit – wir sind zu dritt, denn Allah ist mit uns und wird uns in der Stunde unserer Not nicht allein lassen.‹
    Kurz darauf stießen sie auf eine Höhle, die groß genug war, dass sie sich in ihr verstecken konnten. Kaum waren sie darin verschwunden, da schickte Gott eine große Spinne, die in Windeseile ihr dichtes Netz über den Eingang spann. Wenig später erreichten ihre Häscher die Höhle und versammelten sich vor dem Eingang. ›Die Wüste ist rundum flach wie ein Fladenbrot‹, stellte einer der Verfolger fest und folgerte: ›Sie können daher nur in dieser Höhle stecken!‹ Worauf der Anführer ihn verächtlich anfuhr: ›Du bist ein Dummkopf! Siehst du nicht das Spinnennetz vor dem Eingang? Wären sie in der Höhle, wäre das Netz zerrissen!‹ Da priesen die Omaijaden die Klugheit ihres scharfsinnigen Anführers, der sie vor der doch offensichtlich sinnlosen Mühe bewahrt hatte in

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