Falkenhof 03 - Im Banne des Falken
Schlüssel zum großen Tor, wie Wattendorf sich ausgedrückt hat, der Wegweiser zu diesem Tal, das auch
Sadik bisher nur für ein Phantasiegebilde gehalten hat«, mischte sich Jana ein, die von dem geheimnisvollen Tal längst genauso gepackt war wie Tobias. Sadik dagegen hegte noch immer Zweifel. »Ohne diese Karte ist das, was Wattendorf Jean Roland und Rupert Burlington zugeschickt hat, so gut wie wertlos.«
Jetzt begriff Gaspard die Zusammenhänge. »Anscheinend ist es fast so schwierig, den Zugang zum Tal zu finden. Der Koran, den Monsieur Roland erhalten und achtlos verschenkt hatte, und der Gebetsteppich, den dieser Engländer bekommen hat, werden also vermutlich darüber Auskunft geben.«
Tobias nickte und sagte ärgerlich: »Wenn uns Zeppenfeld den Koran nicht doch noch im letzten Augenblick abgenommen hätte, dann wüssten wir jetzt schon mehr!«
»Und welche Gefahren haben wir in den Tagen der Revolution in Paris auf uns genommen, um den Koran zu finden!«, klagte Jana.
Tobias erinnerte sich noch ganz genau, wie der Koran aussah, der sich nun in Zeppenfelds Besitz befand. Er war so merkwürdig wie der Falkenstock. Der Korandeckel bestand aus Kupferblech. Ein wahrer Dschungel von Ranken, Ornamenten und arabischen Schriftzügen war aus dem Metall gehämmert, die jedoch unterschiedlich hoch emporragten. Diese handwerklichen Mängel und den primitiven Druck der Seiten hatte Jean Roland beanstandet. Und weil auch er von Wattendorf nichts annehmen wollte und die Sache mit dem Verschollenen Tal für das leere Geschwätz eines Geistesgestörten hielt, hatte er den Koran kurzerhand verschenkt. Zudem wäre das Buch, dessen kupferner Deckel auf der Rückseite mit schwarzem Tuch bespannt war, seinen Ansprüchen, die er an ein wertvolles Buch stellte, geschweige denn an ein Kunstwerk, bei weitem nicht gerecht geworden.
»Aber immerhin kennen wir das dazugehörige Rätselgedicht, das Wattendorf auf die erste Seite gekritzelt hat«, tröstete er sich. Und er zitierte es aus dem Gedächtnis:
»Die Buße für die Nacht
Die Schande und Verrat gebar
Der Koran darüber wacht
Was des Verräters Auge wurd gewahr
Den Führer durch die Schattenwelt
Hinter Ranken, Ornament versteckt
Das Tuch der Nacht verborgen hält
Wo ein erhabener Weg sich klar erstreckt
Muss glänzen in des Druckers Blut
Die tiefen Höh’n in Allahs Labyrinth
Dann aus dem Land der Sonnenglut
Der Plan ins Tal Gestalt annimmt.«
Gaspard kratzte sich mit dem Eisenhaken seiner Prothese hinter dem Ohr. »Also wenn ihr mich fragt, was ich von diesem Gedicht halte, so klingt das in meinen Ohren wirklich so wirr wie das Gebrabbel eines Trottels, der nicht weiß, was er von sich gibt«, gestand er.
Tobias stimmte ihm zu. »Mir ist das Gedicht auch noch ein Buch mit sieben Siegeln. Aber mit dem Rätsel zum Falkenstock erging es mir ja nicht anders – bis dann plötzlich der Geistesblitz kam. Ich zweifle jetzt nicht mehr daran, dass Wattendorf sich etwas ganz Konkretes dabei gedacht und in diesen scheinbar blödsinnig wirren Zeilen versteckt hat.«
Jana pflichtete ihm bei. »Vielleicht verbarg sich der Plan hinter dem schwarzen Tuch«, überlegte sie. »Ihr hättet den Stoff gleich vom Deckel reißen und nachschauen sollen.«
»So einfach hat Wattendorf es uns bestimmt nicht gemacht«, war Tobias überzeugt. »Denn wenn es so wäre, wie du vermutest, macht doch die dritte Strophe keinen Sinn mehr. Irgendetwas muss in Druckers Blut glänzen, und zwar die tiefen Höh’n in Allahs Labyrinth, erst dann nimmt der Plan Gestalt an.«
»Mhm, ja, du hast Recht«, räumte Jana ein und fügte zuversichtlich hinzu: »Aber dieses Rätsel werden wir genauso lösen wie das erste!«
»Aber ohne den Koran wird uns das nicht viel nützen«, befürchtete Tobias grimmig.
»Warten wir es ab«, meinte sie. »Zeppenfeld wird uns nach England folgen und alles dransetzen, um den Gebetsteppich an sich zu bringen. Zum Glück haben wir einen Vorsprung von mehreren Tagen, sodass wir wohl eher bei Rupert Burlington auf Mulberry Hall sein werden. Vielleicht gelingt es uns, diesmal ihm eine Falle zu stellen!«
Tobias seufzte schwer. »Schön wäre es«, sagte er, doch ohne große Hoffnung. Die Erfahrung hatte nämlich gezeigt, dass Zeppenfeld alles andere als ein einfältiger Bursche war. Im Gegenteil. Er kannte keine Skrupel und legte eine nicht minder ausgeprägte Gerissenheit an den Tag. Auch ohne die Unterstützung von gedungenen Schurken vom Schlage
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