Falkenhof 03 - Im Banne des Falken
auch, aber Sadik sagt, dass es in der Wüste tatsächlich Orte gibt, die von Allah verflucht und ein Ort ohne Wiederkehr sind«, versicherte sie und sprach dabei mit leiser Stimme, als fürchtete sie, man könnte sie jenseits der dünnen Wagenwände hören.
»Das ist natürlich purer Aberglaube!«, erklärte Tobias mit fester Stimme, obwohl auch er sich ein wenig unbehaglich fühlte. Aber das musste ja keiner wissen. »Onkel Heinrich würde dir jetzt einen langen Vortrag über den logischen und wissenschaftlich nachprüfbaren Aufbau unserer Welt, ja, des gesamten Kosmos halten, in dem für Aberglauben und Täler ohne Wiederkehr kein Platz ist.«
»Also auch nicht für meine Tarot-Karten?«, fragte Jana mit leicht herausforderndem Tonfall.
Tobias zögerte, und das aus gutem Grund, wie auch Jana wusste. »Vom Kartenlegen hält er genauso wenig wie vom Hokuspokus der Astrologen.«
»Und du?« Jana sah ihn etwas spöttisch an.
Diesmal brauchte er mit seiner Antwort noch länger. Jana legte viel Wert darauf, dass man sie eine Landfahrerin nannte und nicht Zigeunerin, denn von denen stammte sie nicht ab. »Wir nennen uns fahrendes Volk, Schausteller und Gaukler, was immer du willst«, hatte sie ihm einmal auf Falkenhof erklärt. Dennoch war ihr Zuhause von Geburt an ein bunt bemalter Kastenwagen gewesen, mit dem sie von Ort zu Ort gefahren war. Erst mit ihren Eltern, dann unter der Aufsicht ihrer Tante und schließlich ganz allein. Als Kind hatte sie sich ihren Lebensunterhalt mit Jonglieren und Akrobatik verdient, dann aber hatte sie sich den Tarot-Karten zugewandt, von ihrer Tante Helena darin unterrichtet. Ihren Worten nach hatte sie diese bald darin übertroffen, weil sie angeblich das zweite Gesicht hatte. Die Welt des Tarots war Jana also sehr wichtig.
Tobias erinnerte sich daran, wie Jana ihm die Karten gelegt hatte. Es war ein sehr beklemmendes Erlebnis gewesen, und einige ihrer Voraussagen, über die er damals gelächelt hatte, weil er von Zeppenfelds Existenz noch nicht einmal etwas geahnt hatte, waren eingetroffen. Natürlich konnten das auch Zufälle gewesen sein. Aber dennoch …
»Nun ja, irgendwie lässt sich vielleicht doch nicht alles mit wissenschaftlicher Logik erfassen«, sagte er schließlich ausweichend.
Jana lachte über seine Antwort, die seine zwiespältigen Gefühle verriet. »Worauf du deinen spanischen Degen verwetten kannst!«
Gaspard kaute versonnen auf seiner Unterlippe. »Eines verstehe ich nicht …«
»Und das wäre?«, fragte Tobias.
»Wie ist ausgerechnet dieser Eduard Wattendorf auf das Tal gestoßen, während die umherziehenden Beduinen es seit Jahrhunderten nicht entdeckt haben?«
»Das wüsste ich auch gern«, sagte Tobias und unterdrückte ein Gähnen.
»Das Glück des blinden Huhns, das auch mal ein Korn findet«, bot Jana als Erklärung an.
Tobias grinste. »Sadik würde dazu sagen: Auch ein fauler Floh kommt viel herum, wenn er im Fell eines fleißigen Kamels sitzt.«
»Darüber zu reden und Geschichten erzählt zu bekommen finde ich ungeheuer aufregend. Aber ob ich bis nach Ägypten und durch die Wüste bis ans andere Ende der Welt reisen würde, das glaube ich nicht«, gab Gaspard nach einer langen Pause offen zu.
Tobias empfand da völlig anders. »Ja? Also ich kann es gar nicht erwarten, Cairo und den Nil zu sehen und mit Kamelen loszuziehen und den Karawanenstraßen zu folgen. Außerdem sind Ägypten und die nubische Wüste noch längst nicht das Ende der Welt«, widersprach er.
»Für mich ist die Zeit mit euch und diese Fahrt zur Kanalküste schon ein Abenteuer, das ich mir nie hätte träumen lassen. Und wenn ich es mir recht überlege, reicht mir das auch. Selbst wenn ich könnte, würde ich mich nicht auf diese tollkühne Reise einlassen, die ihr euch noch vorgenommen habt. Mich in Paris Tag für Tag durchschlagen zu müssen ist mir schon aufregend und gefährlich genug. Mich in fremde Länder wagen, wo es doch bestimmt keine so köstlich krossen Hörnchen gibt, wie der alte Louis sie in der Rue Dorneau backt, und ganz sicher auch nicht meinen Lieblingskäse mit Pilzen, den ich immer aus dem Lager von Monsieur Corniche organisiere?« Gaspard schüttelte den Kopf. »Nein, das wäre nichts für mich.«
»Wenn man in fremde Länder reist, muss man sich nun mal den dortigen Sitten und Gebräuchen anpassen, auch im Essen«, meinte Tobias belustigt.
»Ohne Hörnchen und Champignonkäse? Nein, danke!« Er sagte es mit ernstem Gesicht und im Brustton tiefster
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