Falkenhof 03 - Im Banne des Falken
Verwunderung.
»Seit Tambour begriffen hat, dass ein gläubiger Moslem keinen Alkohol anrührt und Buttermilch für einen Beduinen immer noch der köstlichen Stutenmilch am nächsten kommt«, erklärte Sadik. »Buttermilch macht keinen zum Schwächling – und Alkohol erst recht keinen zum Mann.«
Jana und Gaspard stiegen mit müden Knochen aus der Kutsche und sahen sich im Hof um. Eine Laterne brannte über dem hohen Torbogen der Hofeinfahrt, eine zweite neben dem Hintereingang des Gasthauses.
Die Tür flog auf und schlug krachend gegen die Wand, während ein kahlköpfiger Mann zu ihnen in den Hof stürzte.
»Mon dieu! Der arabische Derwisch! … Salem-Ei- oder Talum-Ohrum!«, rief er überschwänglich und versuchte sich an den arabischen Gruß zu erinnern. »Irgendwas in der Art sagt man doch bei euch im Land der Wasserpfeifen und Kamelhöcker, nicht wahr?«
Sadik lachte. »Es-salamu ’alekum! … Der Friede sei mit Euch, Tambour!«
»Ja, leikum, leikum, Monsieur Babeurre!«, rief dieser mit fröhlicher Ignoranz der rechten Aussprache, und dann glaubte er sich der entsprechenden Antwort auf den Gruß zu erinnern. »Möge deine Nacht gut beleuchtet sein!«
»Ich glaube, du meinst sabah en-nurl … Dein Tag möge erleuchtet sein!«, frischte Sadik die lückenhafte Erinnerung des Gastwirtes belustigt auf. »Aber auch gegen eine gut beleuchtete Nacht habe ich nichts einzuwenden.«
Tobias verstand sofort, weshalb der Besitzer vom Coq D’ore Tambour, also Trommel genannt wurde. Tambour war nicht viel größer als Jana, brachte aber ein Körpergewicht auf die kurzen, säulendicken Beine, das einem Hundert-Liter-Branntweinfass alle Ehre gemacht hätte. Er trug einen wahrlich fast kugelrunden Bauch wie eine Trommel vor sich her. Darüber wölbte sich ein weites, faltenreiches Hemd mit gleichfalls weiten, gebauschten Ärmeln. Um den Hals trug er eine schwere Kette, die fast die Stärke einer Ankertrosse hatte, an der ein Kreuz hing, das zu tragen kräftige Nackenmuskeln voraussetzte. In seinem Gesicht, das Tobias unwillkürlich an einen Vollmond denken ließ, blitzten überraschend große und helle Augen unter dicken, pechschwarzen Brauen. Die Nase, die einer gespaltenen Zwiebelknolle glich, gab diesem Gesicht eine zusätzlich heitere Note.
Tambour eilte mit ausgestreckten Armen auf Sadik zu, der neben ihm auf einmal so schmächtig und zerbrechlich wirkte wie ein Gazellenjunges neben einem ausgewachsenen Flusspferd, und wollte ihn an seine Brust drücken. Es lief jedoch darauf hinaus, dass er Sadik über die Wölbung seines mächtigen Bauches zog und es den Anschein hatte, als beugte sich Sadik vor, um das Kreuz des Gastwirtes zu küssen.
»Was für eine Überraschung, Monsieur Sodick-Babeurre!«, dröhnte Tambours Bassstimme über den Hof.
»Sadik«, verbesserte ihn der Beduine vergnügt, entzog sich Tambours Armen, die ihn wie die Zangen eines Hummers gepackt hatten, und stellte ihm seine Begleitung vor.
Tobias musste eine ähnlich heftige Umarmung über sich ergehen lassen, als der Dicke erfuhr, dass er in ihm den Sohn des von ihm so geschätzten Weltreisenden Siegbert Heller vor sich hatte.
Bei Janas Anblick nahm Tambours Gesicht einen beinahe verklärten Ausdruck an, und er ließ es sich nicht nehmen, sie an sich zu drücken und mit einem Kuss auf jede Wange zu begrüßen. Tobias wusste nicht so recht, ob er sich darüber freuen oder ungehalten sein sollte. »Ich bin entzückt, Mademoiselle, überaus entzückt.«
»Danke, Monsieur …« Sie zögerte, ihn mit Tambour anzusprechen.
Der Dicke lächelte liebenswürdig. »Camille Denton steht zu meiner Person im Taufregister. Aber für meine Freunde und die Freunde meines Freundes Sadik-Babeurre bin ich Tambour«, sagte er mit einem Charme, den Tobias ihm überhaupt nicht zugetraut hätte. Der Gastwirt führte sich ein wenig so auf wie der stolze Hahn auf dem Schild. Er zwang sich, dem nicht zu viel Wert beizumessen.
»Wenn Sie es so möchten, gerne, Monsieur Tambour«, erwiderte Jana lächelnd und genauso amüsiert über das Entzücken des Gastwirtes wie über Tobias’ ernste Miene und seine gerunzelten Augenbrauen.
»Tambour, meine Liebe, nur Tambour!« Er tätschelte noch einmal ihre Hand, bevor er sie mit sichtlichem Widerstreben losließ.
›Na, endlich‹, seufzte Tobias in Gedanken.
Gaspard mit seiner Augenklappe und der primitiven Prothese dagegen beäugte Tambour voller Argwohn. Erst als Sadik mit Nachdruck darauf hinwies, dass Gaspard ihr
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