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Falkenhof 03 - Im Banne des Falken

Falkenhof 03 - Im Banne des Falken

Titel: Falkenhof 03 - Im Banne des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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und füllen zwei große Gewölbe. Halb Paris könnte sich an seinem Wein einen ordentlichen Rausch antrinken.«
    »Wenn du das nächste Mal im Keller von Monsieur Rochelle zu Gast bist, trinkst du hoffentlich einen Schluck auf unser Wohl«, scherzte Tobias.
    »Worauf du dich verlassen kannst! Ich werde seinen ältesten Burgunder beehren – oder seinen besten Port«, ging Gaspard mit fröhlich blitzenden Augen auf diesen Scherz ein. »Ach was, ich werde eine Flasche Champagner köpfen! Für gute Freunde ist das Beste gerade gut genug, nicht wahr?«
    Sie lachten schallend, und obwohl sie wussten, dass sie sich bald trennen und vielleicht nie Wiedersehen würden, spürten sie, dass ihre Freundschaft sie in ihrem Herzen und ihrer Erinnerung unverbrüchlich verbinden würde.
    Sadiks Sorge galt zu dieser Stunde mehr den Pferden als seinen Freunden. Und nachdem er sie hatte saufen und ein wenig zu Atem kommen lassen, ging es weiter.
    Es stellte sich als weise Voraussicht heraus, dass Sadik an diesem Tag schon in aller Herrgottsfrühe zum Aufbruch gedrängt hatte, weil er die kühlen Morgenstunden hatte nutzen wollen, um schon eine gute Wegstrecke hinter sich zu bringen, bevor ihnen die Hitze zu sehr zusetzte. Wären sie später aufgebrochen, hätten sie die Hafenstadt bei Tage nicht mehr erreicht.
    Die Sonne stand schon tief über der See, als sie eine bewaldete Hügelkette überquerten und Tinville auf einmal vor ihnen lag. Schon von weitem sah man, dass der Küstenort in zwei unterschiedliche Stadtviertel aufgeteilt war. Das eine gruppierte sich mit schmalen Gassen, dicht stehenden Wohnhäusern und Lagerhallen in einem unregelmäßigen U um den Hafen, während sich der andere Teil der Stadt über den dahinter ansteigenden Hang erstreckte, der nach Norden und Süden hin in ein Steilufer überging. Tinville lag sozusagen in einer weitläufigen Mulde, mit der die Laune der Natur das hoch aufragende Ufer an diesem Küstenabschnitt unterbrochen hatte.
    Einen halben Kilometer vor der Stadt brachte Sadik die Kutsche bei einer Mühle zum Stehen, deren Flügel sich reglos und wie von der Hitze gelähmt vor dem Abendhimmel abhoben.
    »Warum fahren wir nicht weiter?«, wollte Gaspard wissen. »Es wird bald dunkel.« Zudem war er durstig und gegen ein anständiges Abendessen hatte er auch nichts einzuwenden.
    Sadik nickte. »Die Dunkelheit ist nicht nur der Komplize des Diebes, sondern auch der Freund des Fremden, der gute Gründe hat, vor der Neugier seiner Mitmenschen auf der Hut zu sein. Und diese Gründe haben wir fürwahr!«
    Tobias nickte, als er in die Runde blickte. Ein bildhübsches Mädchen in Pumphosen und bunt kariertem Hemd, ein dunkelhäutiger, doch recht fremdländisch anmutender Mann in einer Lammfelljacke, ein Junge mit einer Prothese und einer Augenklappe und ein junger Mann mit einem kostbaren Degen an seiner Hüfte – das war eine Gruppe, die zweifellos Aufmerksamkeit erregen und unerwünschte Mutmaßungen über ihre Herkunft und Absichten auf sich ziehen würde. »Gut, warten wir hier, bis es dunkel ist.«
    »Komisch«, murmelte Gaspard, während er seine malträtierten Knochen streckte und reckte.
    Jana sah ihn an. »Was ist komisch?«
    »Na, wenn man bedenkt, dass da drüben irgendwo England im Wasser schwimmt«, meinte er und blickte über die glitzernde See, die sich bis zum Horizont erstreckte, ohne dass dort jedoch Land zu sehen gewesen wäre. Der Glutball berührte dort schon fast die Oberfläche. »So weit ist es ja gar nicht …«
    »Gerade mal hundertfünfzig Kilometer«, warf Tobias ein.
    »… und doch ist dieses England bestimmt eine ganz andere Welt als Frankreich. Die Leute haben eine eigene Sprache und alles andere ist auch nicht so wie hier.«
    Ein feines Lächeln umspielte Sadiks Mundwinkel. »Der Regen fällt auf die Hütten wie auf die Paläste und in allen wohnen nur Menschen. Es gibt viele Vögel am Himmel, und wenn auch jede Art ein anderes Lied pfeift, so hat Allah sie doch als gleiche geschaffen. Statt das Trennende herauszustreichen, sollte man immer erst das Verbindende suchen. Dann verliert auch das Fremdartige viel von seiner scheinbaren Unverständlichkeit.«
    »Das Gepfeife der Engländer würde mir jedenfalls so viel sagen wie das Gekläffe eines Köters«, antwortete Gaspard mit einem un-überhörbaren Anklang von Geringschätzung. Die Feindschaft zwischen England und Frankreich hatte auch vor ihm, einem mittellosen Pariser Gassenjungen, der noch nie einem englischen Jungen

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