Falkenhof 03 - Im Banne des Falken
einen grimmigen Blick zuwarf und losmarschierte.
Lisette setzte sich in Bewegung, jedoch so behäbig, dass Sadik mit raschem Schritt schnell ein dutzend Wagenlängen Vorsprung gewann.
»Kann so ein Dampfstraßenwagen explodieren?«, fragte Jana besorgt, als Borstenkopf über ihnen irgendwelche Hebel betätigte und sie daraufhin wieder ein bedrohlich klingendes Zischen und Fauchen vernahmen.
Tobias zögerte. »Nun ja … solche Dampfkessel stehen natürlich unter ungeheurem Druck, sonst würde es ja auch gar nicht funktionieren«, erinnerte er sich dessen, was ihm Onkel Heinrich über Dampfkraft beigebracht hatte. Doch weil er fand, dass seine Antwort kaum dazu geschaffen war, Jana Mut zu machen, fügte er hastig hinzu: »Aber ich verstehe von diesen Sachen nicht sehr viel.«
»Ich noch weniger«, raunte Jana ihm zu. »Vielleicht war es dumm, dass wir hier eingestiegen sind. Überhaupt finde ich, dieses Schneckentempo ist es wahrhaftig nicht wert, dass wir so ein Risiko auf uns nehmen – nämlich mit diesem Ungetüm jeden Moment in die Luft zu fliegen!«
»Tja, vielleicht hast du Recht«, antwortete Tobias wankelmütig, den das langsame Dahinkriechen bedenklich stimmte, da er es für ein Zeichen konstruktiver Schwächen hielt. »Aber wenn Lord Bur…« Er unterbrach sich, denn Lisette begann sich anzustrengen und spürbar Fahrt aufzunehmen. Und sofort fasste er neues Zutrauen. »Schau mal! Wir werden wirklich schneller!«
»Ja, das sehe ich«, sagte Jana und machte dabei ein Gesicht, das nicht gerade Verzückung über diesen Tatbestand ausdrückte.
»Und da ist Sadik!«
Der Beduine schaute sich um, sah Lisette im Schein ihrer vier Laternen aufholen und beschleunigte sofort sein Tempo.
Als sie ihn einholten, hatte er schon sein schnellstmögliches Schritttempo angeschlagen. Es war noch kein Laufen, als hielte er das für unter seiner Würde. Aber Gehen konnte man das auch schon nicht mehr nennen. Tobias fand, dass ihr arabischer Freund eine etwas ulkige Figur abgab.
Borstenkopf hatte den Mund nicht zu voll genommen. Lisette legte weiter im Tempo zu, und zwar kräftig. Und was man auf dem Rücken eines Pferdes zu Beginn der Fahrt gerade noch als eine gemächliche Gangart bezeichnet hätte, entwickelte sich rasch zu einem sehr flotten Trab. Ja, es fehlte gar nicht mehr viel zum Galopp!
Nun blieb Sadik gar nichts anderes übrig, als in den Laufschritt zu fallen und sich anzustrengen. Eine der Laternen warf ihren hellen Schein auf sein verkniffenes Gesicht. Seine Miene brachte deutlich seinen Ingrimm darüber zum Ausdruck, dass er sich tatsächlich gezwungen sah, mit diesem schweren Koloss um die Wette zu rennen.
Sadik erkannte schnell, dass er diesen Wettlauf verlieren würde. Doch jetzt einfach so aufzugeben hieße das Gesicht verlieren.
Tobias ahnte, was in Sadik vorging. »Wie weit ist es noch bis zum Herrenhaus, Mister Hegarty?«, rief er nach oben.
»Oh, noch etwa anderthalb Meilen. Aber Lisette bringt es auf eine Spitzengeschwindigkeit von fast achtzehn Meilen!«, lautete die stolze Antwort von Borstenkopf. »In ein paar Minuten sind wir da!«
»Achtzehn Meilen, damit kannst du bestimmt mithalten, Sadik«, rief Tobias nun seinem Freund zu, obwohl sie beide wussten, dass dem auf diese Distanz nicht so war. Doch Tobias wollte Sadik eine goldene Brücke bauen. Denn seinem arabischen Freund strömte schon der Schweiß über das Gesicht. Er lief jetzt, so schnell er konnte, und doch begann er schon zurückzufallen. »Und da du das jetzt ja bewiesen hast, wären wir dir sehr dankbar, wenn du nun zu uns aufspringen und den Rest der Strecke mit uns fahren würdest, Königliche Exzellenz. Es könnte einen schlechten Eindruck machen, wenn wir vorfahren, während du wie ein Lakai neben uns hertrabst! Das könnte ungewollt auch ein schlechtes Bild auf Mister Hegarty werfen.«
»In der Tat, in der Tat!«, pflichtete Borstenkopf ihm bei.
»Und wir wollen dem Armen doch nicht noch mehr Schwierigkeiten bereiten«, fügte Tobias nachdrücklich hinzu.
»Tobias hat Recht«, sagte nun auch Jana, die ebenso wenig wollte, dass Sadik vor Borstenkopf sein Gesicht verlor. »Fahren wir zusammen vor Mulberry Hall vor. Das sieht einfach besser aus, als wenn du wie ein Hund neben uns herrennst!«
»Also gut«, keuchte Sadik, den schon Seitenstiche und Atemnot plagten. »Wenn ihr darauf besteht, werde ich euch den Gefallen natürlich tun.«
»Ich halte an!«, rief Borstenkopf von oben.
»Aiwa, wenn dies eine schnelle
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