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Falkenhof 03 - Im Banne des Falken

Falkenhof 03 - Im Banne des Falken

Titel: Falkenhof 03 - Im Banne des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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wohl auch, was sie ihrem Ruf schuldig waren. Dementsprechend phantasievoll und aufwendig waren auch ihre Kostüme.
    Da stolzierten Damen in kostbaren Rokokogewändern aus endlosen Metern Seide und Spitze über den Rasen, lachten mit russischen Prinzessinnen und goldbehängten ägyptischen Gottheiten und gesellten sich zu Fabelgestalten, die einem Sagen- und Märchenbuch hätten entsprungen sein können.
    Die Männer machten da keine Ausnahme. Auch sie drängte es offensichtlich sehr zu höheren Weihen. Könige und Herrscher von mächtigen Reichen wie auch von Phantasieländern fanden sich, wie auch lorbeerbekränzte Senatoren aus dem alten Rom sowie berühmte Entdecker, Forscher und Eroberer wie Magellan und Columbus, Cortez und Pizarro. Man sah einen hageren Zaren im Gespräch mit einem fettleibigen Hannibal, während neben ihnen Alexander der Große eine Zigarre von einem bengalischen Maharadscha entgegennahm.
    Aber es waren nicht allein gekrönte Häupter und herausragende Gestalten der Weltgeschichte vertreten. Viele der jüngeren Männer, zumeist die Söhne der Gentry, des Landadels, hatten ihr Herz für das einfache Volk entdeckt – zumindest für die Dauer dieses Festes. Verwegene Trapper und Korsaren waren ebenso vertreten wie Gladiatoren, Zigeuner, Minnesänger und Clownsgestalten. Einige sehr eitle junge Burschen, die sich für die Wiedergeburt des Apoll hielten, trugen mehr nackte Haut als römischen Togastoff spazieren.
    Dagegen hatten nur wenige den Mut gefunden, eine hässliche Kostümierung zu wählen. Tobias entdeckte jedoch immerhin zwei wirklich abscheulich aussehende Henker, einige Dämonen, einen Buckligen, einen düster maskierten Zauberer und einen Teufel, dessen kieksende Stimme dem Kostüm jedoch viel von seiner Wirkung nahm, besonders als der Herr der Unterwelt nach seinem zweiten Glas Punsch auch noch einen beharrlichen Schluckauf bekam.
    »All diese ausgefallenen Kostüme! Ich könnte allein Stunden damit verbringen, hier zu stehen und zu beobachten«, sagte Jana fasziniert, während ihr Blick von Sindbad dem Seefahrer zur griechischen Sagengestalt Atlas ging, der auf seinen Schultern eine bemalte Erdkugel trug. Dank mehrerer Lederriemen, die er sich unter seinem farbenprächtigen Seidenhemd um die Schultern geschnallt hatte und die mit der Welt aus Pappe und Papier verbunden waren, hatte er jedoch die Hände frei, um vom Tablett eines Livrierten ein Glas Champagner zu nehmen und dann einer jungen Elfe den anderen Arm zu reichen.
    »Schönheit ohne Anständigkeit ist wie ein goldener Teller, auf dem eine Ratte serviert wird«, bemerkte Sadik bissig.
    »Sie sagen es, Sadik! Die Eitelkeit der Menschen ist fast so grenzenlos wie ihre Dummheit und Gier«, pflichtete Rupert Burlington ihm zu, als das Fest schon einige Stunden fröhlich zwischen Herrenhaus und Park hin und her wogte und er für einen Augenblick mit Sadik, Tobias und Jana zusammenstand.
    Tobias wollte dazu etwas sagen, doch er bemerkte, wie Rupert Burlington plötzlich stutzte und sich an die Stirn fasste. »Ist Ihnen nicht gut?«, fragte er besorgt.
    »Doch, doch, mir geht es ganz ausgezeichnet«, versicherte der Lord. »Aber bei dem Wort Eitelkeit ist mir etwas eingefallen, was Wattendorfs Gedicht betrifft …«
    »Ja, und?«, fragte Sadik erwartungsvoll.
    »Eitelkeit … das stand auch in seinem konfusen Gedicht. Warten Sie …« Er überlegte angestrengt, dann nickte er, als er sich wieder erinnerte. »Ja, da war von einem ›See der Eitelkeit‹ die Rede … und dass Allah seine Schrift auf diesen See zeichnet …«
    »Und was noch?«, drängte Sadik voller Spannung. »Überlegen Sie, Sahdi Rupert! Entreißen Sie es dem Dunkel Ihrer Erinnerung! Was stand noch in dem Gedicht?«
    »Ich werde mich bemühen. Aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie dann nicht fluchtartig mein Fest verlassen und sich für die nächsten Stunden in Ihr Zimmer einschließen, um Wattendorfs billigen Gebetsteppich anzustarren!«
    Widerstrebend gab Sadik ihm sein Wort.
    Rupert Burlington schloss die Augen, und seine ganze Haltung verriet, dass er sich konzentrierte. Die Musik, das Stimmengewirr und das Gelächter traten in den Hintergrund. Er erinnerte sich der Worte und versuchte sie in die richtige Reimform zu bringen.
    Jana drückte stumm die Daumen und biss sich auf die Unterlippe, während Tobias vor gespannter Erwartung den Atem anhielt.
    Mit zögernder Stimme rekapitulierte Rupert Burlington schließlich einen Teil des Gedichtes: »Wenn des

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