Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Platzwunden am Kopf, Brandwunde im rechten Ohr, Thorax-Fraktur der rechten, sechsten Rippe, Bänderriss des mittleren Außenbandes im rechten Sprunggelenk, Fraktur der rechten Kniescheibe und eine Blutalkoholkonzentration von erstaunlichen 1,9 Promille.
Der Morgen danach
Als Walcher die Augen aufschlug, blickte er in eine große Runde, die sich um sein Bett versammelt hatte. Susanna, Irmi, die Armbrusters, Johannes, eine Frau und ein Mann in weißer Arbeitskleidung und ein weiterer Mann, den Walcher nicht kannte und der sich später als Inspektor Holzer vorstellte, und natürlich Brunner. Walcher wollte sich aufrichten, ließ es aber sofort bleiben.
»Schön, dass ihr hier seid, das fühlt sich verdammt gut an.«
Wobei offen blieb, ob er damit Susanna und Irmi meinte, die jede eine Hand von ihm streichelten. »Danke«, sah er Brunner an, »ich wusste die ganze Zeit, dass Sie mich da rausholen würden. Wer war denn dieses durchgeknallte Arschloch? Hatte der was mit der Jeswita zu tun, meine Visitenkarte?«
»Er weilt wieder unter uns«, hörte er Brunner sagen, »er stellt schon wieder Fragen. Man sollte ihn …«
»Man wird«, unterbrach ihn die Krankenschwester, »ihn erst einmal wieder allein lassen«, und scheuchte alle, bis auf Irmi und Susanna, aus dem Zimmer. Nur die beiden durften noch eine Weile an seinem Bett sitzen und mussten ihm erzählen, was sie von Brunner erfahren hatten. Aber schon nach wenigen Sätzen war Walcher wieder eingeschlafen, und Irmi und Susanna schlichen sich auf Zehenspitzen hinaus.
Susanna brachte Irmi nach Hause, trank mit Johannes eine Tasse Kaffee und fuhr wieder zurück in die Klinik.
Heimkehr
Rolli pinkelte vor Begeisterung in den Flur, als Walcher eine Woche später auf Krücken ins Haus humpelte. Irmi und Opa Armbruster hatten darauf bestanden, ihn aus dem Krankenhaus in Bregenz abzuholen. Brunner hatte sich als Fahrer angeboten und von der Bereitschaft einen grünen VW-Kombi mit Hebebühne für Rollstuhltransporte ausgeliehen.
Nur mühsam beherrschte Walcher seinen Lachreiz, als er die vergitterte grüne Minna vor dem Krankenhausportal stehen sah. Seine Rippe schmerzte höllisch, vor allem wenn er lachen musste. Er fand den Aufwand zwar etwas übertrieben, aber es wäre gelogen gewesen, wenn er das liebevolle Abholen nicht genossen hätte.
Zu Hause ging es allerdings erst richtig los mit Zuneigung und Anteilnahme, dort erwarteten ihn Marianne und Johannes und führten ihn scheinheilig in das Wohnzimmer, wo ihn lauter Applaus empfing. Dicht gedrängt standen dort Lisas Geschwister mit Ehemännern und Kindern, Oma und Opa Brettschneider, Oma Armbruster und einige Nachbarn, sogar die Frau Zehner war gekommen. Walcher war gerührt. Es fehlte nur noch Susanna, dachte er. Sie hatten während der vergangenen Woche mehrmals täglich telefoniert. Unter dem stürmischen Beifall der »Wiederauferstehungs-Party«, wie Opa Armbruster treffend die Veranstaltung bezeichnete, enthüllte Irmi den mit einem weißen Laken zugedeckten antiquierten hölzernen Rollstuhl, eine Leihgabe von Frau Zehner.
Das Gefährt stammte aus dem Ersten Weltkrieg und war von Frau Zehners Großvater gebaut worden, als er schwer verwundet heimgekehrt war. Der Rollstuhl besaß sogar eine technisch ausgeklügelte höhen-und längenverstellbare Beinablage, die bereits auf Walchers Maße eingestellt war. Nachdem sich Walcher schicksalsergeben in die kunstvolle, aber wurmstichige Tischlerarbeit gesetzt hatte, teilte sich die kleine Festgesellschaft und gab den Blick auf eine mit Kuchen überfüllte Kaffeetafel frei, an deren Kopfende Walcher gerollt wurde. Die Kuchenmenge hätte vermutlich für zehn solcher Feste ausgereicht, aber nach den Ängsten, erzählten die Omas, war das Backen für sie ein Akt der Befreiung.
Immerhin drei Stunden hielt es Walcher aus, bis er sich traute, in sein Bett zu humpeln. Drei Stunden, in denen er nicht nur wiederholt aufgefordert wurde, alles zu erzählen, was der Verbrecher ihm angetan hatte, sondern in denen auch die älteren Gäste der Runde Geschichten von eigenen Unfällen, Verletzungen und Ängsten beisteuerten. Es war schon ein ziemlich groteskes Bild, wie Walcher da am Kopfende der Kuchentafel voller Leute in einem Rollstuhl saß und wie ein Kriegsheld gefeiert wurde. Sein rechtes Bein steckte in einer Plastikschiene, die er bis zur Ausheilung der gerissenen Bandstruktur im Sprunggelenk gut sechs Wochen tragen musste. Bis dahin sollte auch die Fraktur der Kniescheibe
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