Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
gegeben, inklusive einer großzügigen Reserve. Die hatte er in den herumliegenden Plastikbeutel des Moskauer Superkaufhauses GUM gefüllt und in seiner Unterhose deponiert, was seine breitbeinigen Schritte erklärte, mit denen er am Stützpunkt von Bord geschlendert war.
Auch der dritte Mann an Bord war erfolgreich gewesen. Er hatte ein kleines Arsenal von Pistolen aus der neuesten russischen Produktion gefunden, samt Munition.
Commander Kruger war ein intelligenter und erfahrener Mann. Noch auf der Fahrt zum Stützpunkt ließ er sich von der Mulder-Werft die Leistungsdaten der Flybridge durchgeben und errechnete die maximale Distanz, die die Yacht mit dem vollen Tank und den Reservekanistern zurücklegen konnte. Bei einem Tempo von durchschnittlich zehn Knoten ergab seine Rechnung ungefähr 3900 Seemeilen. Da die Mädchen offenbar aus Russland stammten, sie sprachen jedenfalls russisch, war davon auszugehen, dass sie über den Atlantik nach Amerika gebracht werden sollten. Und das auf einer derart kleinen Yacht, Kruger schüttelte den Kopf, dachte an seine eigene Tochter und geriet über die drei Männer so in Rage, dass er sie am liebsten über Bord geworfen hätte. Sie zu verhören hatte ohnehin keinen Sinn, da sie sich in Schweigen hüllten und so taten, als würden sie kein Wort Englisch verstehen.
Kruger kombinierte weiter und fütterte den Computer mit den wenigen Kursdaten, die er von der Yacht besaß, seit sie vom Radar erfasst worden war. Es war nicht der erste Fall dieser Art, weshalb sie ein recht zuverlässiges Programm in ihrem Bordcomputer hatten, das die Route der Yacht berechnete und mögliche Zielorte an der Küste nannte, optional, versteht sich. Als die Delaware Bay und unterhalb davon der Küstenstreifen bei Rehoboth Beach als denkbare Anlegeplätze feststanden, schickte Kruger die Meldung an den Stützpunkt und gleichzeitig an das FBI und den Zoll. In einer konzertierten Aktion wurde daraufhin die Küste nach auffälligen Booten, Bussen und Kleintransportern abgesucht – ein beinahe sinnloses Unterfangen in einem Gebiet, das täglich von Hunderttausenden Touristen besucht wurde und wo sich ein Fischerei-und Yachthafen an den anderen reihte. Kruger kannte sich in der Gegend dort recht gut aus. Auf dem Marinestützpunkt der Navy an der Delaware-Mündung hatte er seine Grundausbildung erhalten. Er tippte auf den Küstenstreifen Rehoboth Beach, unterhalb der Bucht, denn in die Delaware Bay zu fahren, so war er überzeugt, würden die Russen nicht wagen. Wie allgemein bekannt war, wurden alle einfahrenden Schiffe und Boote überwacht und registriert. Auch hätte der mitgeführte Kraftstoff vermutlich ohnehin nur bis in den vorderen Teil der Bay gereicht, warum also ein derart hohes Risiko eingehen?
Abschied
»Eine Party natürlich«, antwortete Irmi auf Walchers Frage, was sie denn nun in zwei Tagen, am Abend vor der Abreise von Doro, Lavra und Aischa, planten. »Wir lassen eine Party steigen, ich lade noch ein, zwei Freunde ein, die Großeltern wollen kommen, und du darfst selbstverständlich auch gern jemanden einladen.«
Doro, Aischa und Lavra waren begeistert, auch Rolli schien dem Vorschlag zuzustimmen, er ließ jedenfalls ein kurzes Wuff hören.
Am nächsten Tag ging es rund auf dem Hof. Die Mädchen hängten Girlanden und Lampions auf und beratschlagten, was es zu essen geben sollte. Walchers Rolle beschränkte sich auf Einkaufsfahrten, zwischen denen er sich in sein ruhiges Arbeitszimmer zurückzog. Doro und die Mädchen werkelten lautstark in der Küche, und das ganze Haus duftete nach Kuchen und anderen Leckereien. Walcher wähnte sich oben in seinem Arbeitszimmer über einem Restaurant. Am Vorabend testeten die Kinder sogar die Wirkung der Kerzen und Fackeln, die sie vor der Terrasse in den Boden gesteckt hatten. Als sie dann schließlich in Irmis Zimmer verschwanden, setzten sich Walcher und Doro auf ein Glas Wein zusammen.
»Die Tage hier sind wie im Flug vergangen«, lächelte Doro, »ich habe mich bei Ihnen sehr wohl gefühlt. Dafür möchte ich mich bedanken. Die Mädchen haben es bestimmt genauso empfunden, und sie haben vielleicht die Erfahrung gemacht, dass sie sich niemals aufgeben dürfen, weil es immer auch Menschen gibt, die einem weiterhelfen. Zuerst ging ich davon aus, Sie nehmen sie nur deshalb auf, weil Sie beruflich davon profitieren, für eine gute Story eben, aber das denke ich jetzt nicht mehr.«
Walcher nickte, meinte aber: »Ich bin kein Samariter, ich bin
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