Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
zum Waschbecken zu gehen. Stundenlang lag sie so da, als plötzlich die Tür aufgestoßen wurde und ein fetter, öliger Mann hereinstürmte.
Rodica hatte ihre Lektion gelernt und ließ über sich ergehen, was der Mann mit ihr machte. Sogar zu lächeln versuchte sie dabei. Erst als er besondere Zärtlichkeiten forderte, begann ihr Magen zu rebellieren, und sie fing an zu würgen. Ekel und eine Kost, die seit Tagen aus Süßigkeiten, Alkohol und Schlafmitteln bestand, hatten ihren Körper zu einem zittrig-nervösen kleinen Bündel gemacht. Rodica rannte hinaus auf den Flur und suchte das Badezimmer, wo sie sich in heftigen Krämpfen erbrach. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn, als ihr Magen schließlich nichts mehr hergab. Erschöpft kniete sie vor der Kloschüssel und ließ sich langsam nach hinten an die Fliesenwand der Badewanne sinken. Dort lehnte sie mit geschlossen Augen und hätte weinen mögen, aber es kamen auch keine Tränen mehr.
Ihre Gedanken drehten sich wie ein Karussell in der Dunkelheit. So saß sie mehrere Minuten lang, bis sie hörte, dass hinter ihr Wasser in die Badewanne tröpfelte. Mühsam richtete sie sich etwas auf und sah über den Rand. Rodica schrie nicht, sondern starrte nur entsetzt auf Valeska, die da in einer roten Lake schwamm, mit einem friedlichen Lächeln im Gesicht.
Rodica stupste Valeska an der Schulter, nahm ihren Arm und zog ihn hoch, um ihn zurück ins rot verfärbte Wasser platschen zu lassen. Dann hielt sie Valeska die Nase zu, und als immer noch nichts geschah, war Rodica klar, dass Valeska nicht bloß schlief oder sie zum Narren hielt, sondern tot war. Richtig tot, so wie damals vor drei Jahren ihre Großmutter, mit der sie die gleichen Versuche angestellt hatte. Ihre Gedanken an die Vergangenheit wurden abrupt durch einen schmerzhaften Schlag auf den Kopf unterbrochen.
»Lass dir ja nich’ einfallen, die gleiche Scheiße zu machen, du kleine Fotze«, brüllte der Fette und zerrte Rodica an den Haaren hoch und schlug sie mit der flachen Hand auf Po, Rücken, Bauch, überall da, wo er Rodica, die sich wand und wegduckte, gerade traf.
Brutal zurück ins Zimmer geschleppt und aufs Matratzenlager gestoßen, lag Rodica da, ihr Körper war von Krämpfen geschüttelt. Irgendwann musste sie der Schlaf von ihrem Schmerz erlöst haben, denn sie wachte tief in der Nacht aus einem furchtbaren Alptraum auf.
Sie verstand nicht, warum Valeska tot in der roten Lake gelegen hatte. Sie wusste nicht, was mit jemandem geschah, der sich die Pulsadern aufschnitt. Zu Hause in ihrem Dorf erhängten oder erschossen sich Selbstmörder. Sie hatte noch nie gehört, dass sich jemand in einem Waschzuber umgebracht hätte, der Aufwand wäre doch viel zu groß, dachte sie, man müsste ja erst mühsam die Wanne mit Wasser füllen.
Rodica stand gequält auf, alles an ihr schmerzte. Langsam schleppte sie sich zum Fenster und sah hinunter in den engen Hofplatz. Er lag tief unter ihr. Wenn sie aus dem Fenster springen würde, überlegte sie, hätte sie danach auch so ein friedliches Lächeln im Gesicht wie Valeska? Aber dann dachte sie an ihre Mutter und an die Geschwister, sogar an den Vater. Und sie dachte an den Sternenhimmel in der kleinen Kirche zu Hause und an den Pfarrer. Da tappte sie wieder zurück zu ihrem Matratzenlager und wickelte sich in die Decken ein.
Großkampftag
Vom frühen Nachmittag an füllte sich allmählich das Haus. Irmi hatte nicht nur zwei Freunde eingeladen, eher sah es nach ihrer ganzen Klasse aus. Grüppchenweise stand man cool auf dem Hof zusammen, unterhielt sich oder lauschte dem Stakkato eines Rappers, das durch die offenen Fenster aus der Wohnzimmerdisco hämmerte. Ein paar Hundefans gaben sich mit Rolli ab und hetzten ihn mit Stöckchen durch die Gegend. Einige standen am Brunnen und tranken Radler, das einzige alkoholhaltige Getränk, dem Walcher zugestimmt hatte.
Lavra und Aischa waren der absolute Mittelpunkt. Sie wurden mit kleinen Geschenken geradezu überhäuft, und weil es sich dabei hauptsächlich um Schminksachen handelte, waren sie bald mit Lidschatten, Lipgloss, Wimperntusche und Rouge zu richtigen Kosmetik-Vamps gestylt.
Als die Großeltern Armbruster und Brettschneider kamen, stellte Armbruster fest: »Endlich ist hier mal was geboten.«
Er steuerte jedoch sofort die Terrasse an, denn dort schien es noch verhältnismäßig ruhig.
Walcher setzte sich zu ihnen, denn dazu war er vom Festkomitee eingeteilt worden. Doros Aufgabe hingegen war es, so
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