Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
Vom Netzwerk:
Absicht den hochnäsigen Freiherrn von
Redwitz, um nachzuschauen, tat der doch immer so furchtbar etepetete.
Er wollte diesen Kammerherrn liebend gern entlassen, hatte aber leider
im Moment Schulden bei ihm.
    Als Redwitz zurückkam, war er grün im Gesicht.
    »Dieses Gesindel! Kein Wunder, dass es so viele Käfer und
Schmeißfliegen anlockt«, zischte er und schüttete eine Flasche Eau de
Vénice über sich aus.
    »Verhungert«, sagte der Kutscher, »alle beide, eine Frau und
ein kleines Mädchen.«
    Mit den Schuhspitzen schob er die offensichtlich leichten
Haufen in den Graben und hockte wieder auf.
    Charles schloss die Augen und befahl Redwitz: »Sorgt in
Georgenthal sofort dafür, dass man sie holt und anständig beerdigt.«
Dann dachte er wieder an Elisabeth.
    Als sich die markgräfliche Kutsche
Georgenthal näherte, war sie noch dabei, vom Kopf her die meiste Haut
abzulösen, auf alle Fälle aber die Federn der schwarz, braun und weiß
gesprenkelten Vögel. Das nackte Fleisch flammte sie ab, um die letzten
Federreste zu versengen. Als sie sich dabei an der linken Hand brannte,
fluchte sie laut, nahm das nächste Holzscheit und schleuderte es mehr
im Spaß als ernsthaft nach der Küchenmagd.
    »Geh weg, du verstehst doch sowieso nichts davon, lauf lieber
und hol den Buben.«
    »Aber der schläft doch schon.«
    »Der Markgraf will seinen Sohn aber immer gleich sehen, wenn
er kommt, also mach schnell.«
    »Und wenn er weint?«
    »Gib ihm eine Zuckerbrezel, dann hört er schon auf.«
    Elisabeth kramte aus einem Schrank ein weißes Gebäckstück
hervor, drückte es der Magd, die selber noch ein Kind war, in die Hand
und wandte sich mit wütendem Eifer wieder den Schnepfen zu. Ihr
hübsches Gesicht verschwamm in der heißen Küche zu einer großen roten
Wunde, in der Schweiß und Bratenfett zusammenliefen.
    Meist tauchte der Markgraf überraschend in Georgenthal auf.
Gelegentlich, so wie heute, schickte er in Gunzenhausen einen Läufer
los, um ihr die Zeit zu geben, alles für seinen Besuch vorzubereiten.
    Seit sieben Jahren war sie jetzt seine Geliebte. Die Angst, er
könnte sie fallen lassen, hatte sich in dieser Zeit in sie eingenistet
wie ein zusätzliches Organ. An manchen Tagen, wenn sie zum Beispiel
einen Bottich frisches Kraut einkochen ließ oder geschnittene
Apfelringe auf lange Schnüre zum Trocknen auffädelte, nahm sie es so
wenig wahr wie ihre Leber oder ihre Lunge. Lag aber in der Stille der
Nacht der Markgraf schnaufend neben ihr und sie atmete seine
Ausdünstungen ein, machte sich die Angst wieder bemerkbar.
    Sie versuchte alles, was in ihrer Macht stand, um dem
Schlimmsten vorzubauen. Obwohl sie einen solchen Umgang mit Kindern für
kompletten Blödsinn hielt, hätschelte und pflegte sie zum Beispiel
unermüdlich die Gesundheit von Fritz. Sie kochte ihm Kümmel- und
Anistee, wenn er in den Bach gefallen war. Sie bereitete ihm warme
Leibwickel, wenn er wieder einmal zu viele Kirschen oder Wecken
gegessen hatte. Sie scheute die Ausgaben nicht und ließ ihn
vorsichtshalber ein paar Mal im Jahr zur Ader, auch wenn er nichts
Akutes hatte. Der Markgraf liebte den stämmigen Buben mit dem roten
Gesicht unter den hellen Haaren, der seinem toten Erstgeborenen so
ähnlich sah, und deshalb, so ihre Logik, würde er auch weiter für sie
sorgen.
    Bis vor Kurzem quälte sie auch die Angst, er könnte
herausfinden, dass der Junge mit seinen bald sechs Jahren noch immer
ins Bett nässte, und sie für diese Schande verantwortlich machen. Was
hatte sie nicht alles unternommen! Die Erinnerung ließ sie jetzt noch
aufstöhnen. Fritz musste täglich ein Schnapsglas voller Wasser aus der
Blase eines Ebers trinken. Sie zwang ihn unter Androhung von
entsetzlichen Prügeln, einen frischen Hahnenkopf hinunterzuwürgen,
damit er rechtzeitig zum Pissen durch den Hahnenschrei geweckt würde.
Trotzdem waren seine Laken jeden Morgen wieder feucht. Weil der
Markgraf es manchmal gerne hatte, wenn das Kind bei ihnen im Bett
schlief und er es in seine Armbeuge nehmen konnte, schob sie dem Buben
heimlich Windeln unter das Nachthemd, wechselte sie mehrmals
geräuschlos und wachte die ganze Nacht nervös über den Harndrang des
markgräflichen Bastards. Am nächsten Tag war sie folglich nicht so
munter, wie es ihr Liebhaber erwartete.
    Erst der Rat der katholischen Kurpfuscherin aus Großenried
half. Elisabeth zerrte den schlaftrunkenen und sowieso recht behäbigen
Buben durch den nächtlichen Wald zum Haundorfer Friedhof. Pünktlich

Weitere Kostenlose Bücher