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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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trinken
bekam. Dazu wurde ein Mahl aus gepökelter Rinderzunge, Schnecken in
Aspik und Aprikosen gereicht. Als sie zurückfuhren, lehnte sich
Friederike ins Polster der Kutsche und sah über sich im tintenblauen
Himmel das Sternbild des Großen Hundes. Es hatte die Form eines
Strichmännchens mit kurzen Beinen, und sie erkannte es am hellen Stern
Sirius in seiner Mitte. Ihr fiel ein, dass vorgestern Magdalenentag
gewesen war, nach Maria von Magdala, der angeblichen Hure, die die Füße
Jesu Christi mit Öl gesalbt und mit ihren Haaren getrocknet hatte. Mit
dem Magdalenentag begannen bekanntlich die Hundstage mit ihrer
drückenden Hitze. Angeblich sollte in den Wochen bis zum
vierundzwanzigsten August das Wasser in Seen und Flüssen giftig sein.
Die einfachen Leute hielten die Zeit, in der nachts der Hund glitzerte,
für eine Unglückszeit.
    Wie jedes Jahr schloss eine Aufführung im
Naturtheater die Sommersaison in Triesdorf ab. Die dichten
Buchsbaumhecken und die zu Kegeln geschnittenen Eiben waren mit Fackeln
illuminiert. In kleinen Lauben, an denen sich verblühte Glyzinien
hochrankten, servierte man Erfrischungen. Die erhöhte Bühne war mit
Birkenlaub und Feldblumen geschmückt. Die Zuschauer saßen unter
gespannten Baldachinen, während das kleine Orchester versteckt im Park
musizierte.
    Caroline hatte den Einfall zur ersten Szene gehabt. Vier
Burschen, die man in Felle gesteckt und als blutrünstige Ungeheuer mit
gedrehten Hörnern und gefährlich langen Klauen maskiert hatte,
polterten mit einer Sänfte aus dem Dunkel hervor. Ihre entführte
Schönheit wagte allerdings nicht, ihr Gefängnis zu verlassen, so sehr
das Fräulein von Crailsheim auch rief: »Steigen Sie aus, Verehrteste,
man hat Ihre Peiniger vertrieben, und Sie sind hier unter honorigen
Menschen.«
    Schließlich musste Reitzenstein, verkleidet als Ritter in
silbernem Brustpanzer, auf die Bühne springen und den Verschlag der
Sänfte aufreißen. Heraus tappte ein Bär an der Kette, dessen Wärter in
der Kutsche kauern blieb. Knapp einen Meter vor dem Bühnenrand machte
der Bär halt, stellte sich auf die Hinterbeine und schüttelte den
zottigen Körper im geblümten Rock. Das Publikum johlte vor
Begeisterung, der Markgraf und die Markgräfin lobten Caroline sehr.
Ehrenfried von Reitzenstein, der ihr ebenfalls Komplimente machte,
fragte sich allerdings insgeheim, ob sich ein Fräulein mit solch
spaßigen Einfällen tatsächlich auch zur Ehefrau eignete.
    Nach der Pause traten nacheinander zehn Damen des Hofes als
Statuen hergerichtet auf. Die Zuschauer mussten raten, um welche
allegorischen Figuren es sich handelte. Hera, die Göttermutter und
Schützerin des heimischen Herdes. Aphrodite, die schaumgeborene Göttin
der Liebe. Diana, die Freundin der Jäger mit den geschmückten Pfeilen
im Köcher und so weiter. Der Anfang war so einfach, dass viele bald
gähnten. Dann erschien Fräulein von der Groben, eine der beiden
Hofdamen der Markgräfin, auf der Bühne. Man hatte ihr eine schöne
griechische Frisur ins Haar gebrannt und aus Seidenstoff ein
faltenreiches Gewand drapiert. Die Webarbeit, die sie mitbrachte, war
vorher von einem geschickten Bauernmädchen gearbeitet worden, so dass
sie jetzt nur noch mit einem Webschiffchen ein bisschen durch die Luft
fädeln musste. Doch keiner erriet Pénélope, die auf den abtrünnigen
Ehemann wartete.
    Flachbrüstig, wie sie war, mit eckigen Schultern und einer
stumpfen kleinen Nase, ähnelte sie wenig der stolzen Gattin des
Kleinkönigs von Ithaka. Fräulein von der Groben webte noch gutmütig
weiter, als das Publikum schon vor Lachen brüllte. Schließlich erlöste
die Markgräfin die Arme und winkte sie von der Bühne.
    Als Friederike am Ende der Vorstellung ihren
Platz verließ, tönte aus dem allgemeinen Aufbruch eine unbekannte
Stimme zu ihr herüber.
    »Gott sei Dank sind nicht alle fränkischen Frauen und Mädchen
so himmelschreiend fad wie die Groben, sonst würde unser Markgraf nur
noch in Georgenthal herumhocken.«
    »Die Idioten, als ob das mein Kummer wäre«, raunte Friederike
Caroline zu, die die bösen Worte ebenfalls gehört hatte. Caroline
nickte und legte ihren Arm um die Schultern der Markgräfin. Trotzdem
konnte Friederike in dieser Nacht noch lange nicht einschlafen, doch es
war nicht die Geliebte ihres Mannes, die sie wach hielt: In einem über
zwei Jahre alten Journal für den Freundeskreis der Royal Agricultural
Society hatte sie zufällig den Bericht eines gewissen Lord

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