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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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zur
Mitternacht standen sie an einem frisch aufgehäuften Grab. Mit Mühe
presste Fritz einen warmen Strahl heraus, und sie schauten schweigend
zu, wie der Urin dampfend in die fette schwarze Erde einsickerte. Wie
es die Großenriederin vorausgesagt hatte, nahm die Leiche des Knechts
Georg Ströhlein das Bettnässen sicher mit ins Grab. Die dreißig
Kreuzer, die sie dafür zahlen musste, waren also gut investiert.
    Elisabeth wischte sich schnell die fettigen
Finger an der Schürze ab. Die Zubereitung von Schnepfen war inzwischen
ihre Spezialität geworden. Noch bevor sie nach Georgenthal zog, hatte
sie einem der Ansbacher Mundköche schöne Augen gemacht und sich genau
zeigen lassen, wie man den Hals der Vögel vorsichtig bog und mit ihren
spitzen und besonders langen, dünnen Schnäbeln die Keulchen durchstach.
Dann umwickelte sie die kleinen Braten mit dünnen Speckscheiben und
reihte sie auf einen Eisenspieß auf, wo sie gute zwanzig Minuten über
dem Holzfeuer gleichmäßig gedreht werden mussten, damit sie rundum
Farbe annahmen. Die eigentliche Delikatesse aber, die der Markgraf
liebte, seit er sie vor zehn Jahren bei dem weltberühmten Zeithainer
Lager des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs, dem von allen
bewunderten August, zum ersten Mal gegessen hatte, war das, was heiß
und triefend aus dem Darm der Vögel tropfte. Der Schnepfendreck.
Elisabeth schichtete gerade messerdünne, viereckig geschnittene und
gelb geröstete Semmelschnitten, die aus dem feinsten Mehl der Ansbacher
Hofküche gebacken waren, auf eine große Zinnplatte, als sie das
Trommelfeuer der Hufe hörte.
    Groß und seit seinem vorigen Besuch wieder
etwas massiger geworden, stand der Markgraf in der Tür. Er küsste sie
gleich und atmete tief durch. Immer wenn ihm der süßsäuerliche Geruch
ihrer Scham in die Nase stach, den sonst nur vergorenes Pflaumenmus
ausströmte, vielleicht noch gewürzt mit einem Schuss Himbeeressig,
verstummte in seinem Hirn das Rascheln der vielen Schuldscheine, die er
in der letzten Zeit an die Juden ausgestellt hatte. Dieser Duft
überlagerte selbst das Parfüm der Höflinge, und Charles fühlte sich auf
der besseren Seite des Lebens.
    Unter dem Götterbild des Hofmalers Feuerlein
entließ der Markgraf seine Kammerherren, zog den Buben, der verstohlen
gähnte, in seinen Arm und Elisabeth auf seinen Schoß. Da brachte die
Magd auch schon die köstlich dampfenden Brote, auf die man gerade eben
spritzend heißes Fett zusammen mit den Exkrementen aus dem
Schnepfenleib hatte träufeln lassen. Die drei speisten ohne Hast.
Elisabeth wünschte, er würde sie wieder einmal seine Georgenthaler
Familie nennen, so wie er es oft nach dem Tod des Erbprinzen getan
hatte. Aber seltsamerweise sprach Charles heute Abend kaum etwas.
    Damals, als der Markgraf es vor Schmerz und Zorn in der
Residenz nicht mehr ausgehalten hatte, verkroch er sich wochenlang in
Georgenthal. Er höchstpersönlich brachte Fritz das Reiten bei und
schenkte ihm seinen ersten Falken mit kostbarer Haube, vor dem der
Junge aber noch Angst hatte. Reitzenstein wurde in das kleine Schloss
mitten im Wald bestellt und bald darauf auch Heistermann. Elisabeth
hatte noch nie zuvor einen Zwerg gesehen, und Charles musste sie
ermahnen, den Ratgeber in allen schwierigen Lebenslagen nicht so dreist
anzustarren. Der Markgraf wünschte jeden Abend ein Gelage, um seinen
Kummer zu vergessen. Eilig aus Ansbach herbeigekarrte Musiker spielten
auf, und Reitzenstein und Heistermann versuchten, mit herzhaften
Trinksprüchen die Stimmung in Gang zu bringen.
    Oft wurde Fritz mitten in der Nacht aus dem Bett geholt. Der
Markgraf ließ seinen Sohn barfuß und im Hemd zwischen den Tellern,
Gläsern und Speiseresten über den Tisch laufen, damit alle sehen
konnten, was für ein starkes und gesundes Kind er war. Das war
Elisabeths glücklichste Zeit mit dem Markgrafen. Geld schaffte sie
trotzdem weiter beiseite und versteckte es wie ein Eichhörnchen vor dem
Winter. Ischerleins Vetter verwaltete es und sorgte dafür, dass sie
gute Zinsen bekam. Elisabeth war nicht mehr arm. Siebentausend Gulden
bekam sie inzwischen jährlich vom Markgrafen für den Georgenthaler
Haushalt, fast so viel wie die Markgräfin. Sie wirtschaftete damit
sparsam. Die Belege und Abrechnungen ihrer Geschäfte mit dem Juden
fächerte sie manchmal wie Liebesbriefe auf dem Bett auf, drehte und
wendete sie, bis sie Eselsohren und Fettflecken bekamen. Mit dem
Fingernagel zog sie die kuriosen Linien der

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