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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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Bessborough
aus der Grafschaft Yorkshire entdeckt. Er ließ sich ausführlich über
etwas aus, das er rotation of crops nannte
und das Friederike mit ›Wechsel der Früchte‹ übersetzte. Ihr Interesse
war geweckt. Viel zu langsam für ihre Neugier arbeitete sie sich bei
dem Licht einer Kerze durch den Text. Zunächst listete der Lord die
außerordentlichen Erträge an Korn und Winterfutter seiner neuen, wie er
betonte, revolutionären physiokratischen Methode auf. Zeile für Zeile,
der Zeigefinger den Worten voraus, drang sie zu seinem Geheimnis vor,
das er nüchtern und ohne Floskeln enthüllte. Schließlich kam der Satz,
der ein Feuerwerk neuer Möglichkeiten vor ihr entzündete. Er, so
schrieb Bessborough kurz und bündig, bewirtschaftete seine Güter nach
der vierfeldrigen Variante. Für schwere Böden empfahl er sogar die
sechsfeldrige. Klee, Weizen, Rüben und Wintergerste wurden in einer
festen Abfolge auf demselben Stück Erde angebaut. Speziell die
Blattfrüchte würden den Boden ganz enorm mit neuer Kraft anreichern, so
dass die Halmfrüchte besser gediehen. Rüben und Klee eigneten sich
zudem vorzüglich als Kraftfutter für sein Vieh, dessen Bestand deshalb
zunehme. Außerdem habe er festgestellt, dass man mit dieser Art der
Bewirtschaftung Schädlinge aller Art auf dem Acker in Grenzen halte.
    Friederike ließ das Journal sinken und klemmte ihren Fächer
zwischen die Seiten. Auf einmal fühlte sie sich wie Robinson Crusoe mit
der Machete in der Hand, wie er sich, umlauert von Gefahren, aber
voller Tatendrang in das Innere seiner Insel vorkämpfte. Sie trug dem
Kammerdiener auf, ihr eine Kanne Kakao zu bringen, damit sie bis zum
Aufgang der Sonne weiterlesen konnte.
    Am letzten Augusttag begab sich der Tross
mit vielen Kleidertruhen, Bildern, Gobelins, Silberleuchtern und
Bettlaken zurück in die Ansbacher Residenz. Das Wohlwollen, das sich
zwischen Charles und Friederike in den vergangenen Sommermonaten
eingestellt hatte, verlief sich rasch auf den langen Gängen und in den
von Schwätzern überfüllten Vorzimmern. Aber den ganzen Winter, den
Karneval und auch das Frühjahr 1737 über gingen sie höflich miteinander
um und hofften auf eine dritte Schwangerschaft.
    Friederike korrespondierte den ganzen Winter
über mit Lord Bessborough, der sich wiederum geehrt von dem Interesse
der deutschen Markgräfin fühlte und ihr detaillierte Skizzen seiner
Äcker schickte.
    Die Vorbereitungen für den turnusgemäßen Umzug in das
Triesdorfer Schloss waren schon in vollem Gange, als der Erbprinz genau
auf den Tag einen Monat nach seinem vierten Geburtstag an einer
fiebrigen Erkältung verstarb.
    Heistermann erzählte jedem, dass der Markgraf in seinem
Appartement schreie und tobe wie ein tollwütiges Tier und alle Schuld
der Markgräfin gebe, weil diese sich nicht genug um die Gesundheit des
Kindes gekümmert habe und sich stattdessen nur noch mit unweiblichen
Büchern befasse und mit ausländischen Spionen Umgang pflege.
    »›Preußisches Luder‹ wird hier noch zum geflügelten Wort«,
feixte der Zwerg und biss sich vor Vergnügen in die fleischigen Knöchel
seiner geballten Faust, als er einen Tag nach dem schrecklichen
Ereignis Caroline von Crailsheim begegnete. Im Vorbeigehen torkelte er
ungehörig nahe an das Freifräulein heran, spürte er doch seit Langem,
dass sie hinter ihrer lustigen Art ein Geheimnis verbarg. Der Witz war
freilich, so kombinierte der Zwerg, dass man erst noch ausprobieren
musste, ob sie sich deshalb leichter demütigen ließ oder im Gegenteil
gleichgültiger gegen Intrigen war.
    »Scheren Sie sich zum Teufel, Heistermann«, entgegnete
Caroline ohne ein Zittern in der Stimme. Heistermann fluchte innerlich,
dass er nicht die nötige Contenance aufbrachte, einfach in seine Sänfte
zu klettern. Stattdessen blieb er stehen und blickte mit offenem Mund
dem Fräulein von Crailsheim nach, wie es unerschrocken und groß wie ein
fremdes Tier aus der Triesdorfer Menagerie die Treppe hinaufstieg.

6
    D ie beiden schmalen, grauen Bündel
versperrten der Kutsche des Markgrafen den Weg. Die Pferde scheuten,
der Kutscher musste anhalten. Charles selbst öffnete den Wagenschlag
und schaute in die einsetzende Dämmerung dieses Abends im Mai 1740.
Ursprünglich hatten sie wohl nicht mitten auf der Straße, sondern am
Rand gelegen. Der Kutscher deutete von seinem Bock herab auf einen
abgenagten Arm ein Stück weiter.
    »Ein Fuchs oder ein Wolf«, vermutete der Markgraf.
    Trotzdem schickte er mit

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