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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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war. Hinter einem Holzstapel entdeckte sie vier
Hühnereier, nach denen niemand gesucht hatte, und steckte sie ein. Der
Deckel zu dem in den Boden gemauerten Keller war nicht ordentlich
geschlossen worden, und die Milch in den Krügen roch sauer. Zwei wohl
schon seit Längerem verendete Ferkel lagen neben den langen Zitzen der
Sau und stanken bereits. Den inzwischen völlig aufgelösten Verwalter im
Schlepptau, beschleunigte Friederike ihre Schritte, stieß Türen,
Bottiche und Verschlage auf, streifte mit ihrer in schilfgrünen Satin
gekleideten Hand über rissige Balken, schaute, roch und schwieg noch
immer. Die klugen Sachen, die sie in englischen Büchern über
Physiokratismus gelesen hatte, ließen sie angesichts der Misswirtschaft
und der Armut, die sie hier vorfand, im Stich. Mit einem Wink
gestattete sie ihren Hofdamen, die Tücher über ihre Münder pressten und
bei jeder Biegung mit einer Ohnmacht kämpften, den Rückzug.
    Sie selbst eilte weiter, zerriss Spinnweben, stolperte über
verrostete Rechen und gönnte sich erst bei den Äckern Zeit zum
Durchatmen. Da stand sie dann, bohrte die Spitzen ihrer
Seidenpantoffeln in die trockene, rissige Erde und blickte über das,
was sie sah und nicht verstand. Wo eigentlich Hafer, Dinkel oder Gerste
kurz vor dem Schnitt wogen sollten, gab es nur Öde. Es wuchs nichts
außer Brennnesseln und kleinen blauen Kornblumen. »Warum?«, hatte sie
den Verwalter gefragt. Nur das eine Wort, mehr brachte sie nicht
heraus. Sie musste noch einmal nachfragen, weil sich aus seinem
Gestammel kein Sinn ergab. Ohne eine weitere Antwort rannte der Mann
los. Der Dreck spritzte von seinen Stiefeln, so schnell suchte er das
Weite. Sie hätte ihn für diesen Ungehorsam hinrichten lassen können,
sie verbuchte es als Erfolg, den einzigen dieses Tages, diesen
Trunkenbold und Taugenichts los zu sein.
    Als sich das Tor wieder öffnete und sie den stumm gaffenden
Dorfleuten, die immer noch dicht gedrängt vor dem Schloss standen,
erneut gegenübertrat, konnte sie ihnen nicht das kleinste Versprechen
zurücklassen, so ratlos war sie. Sie wusste auch nicht, ob diese
Menschen sie fürchteten oder verfluchten. Aber die ganze Fahrt zurück
nach Triesdorf schämte sie sich, dass sie bisher nicht besser für sie
gesorgt hatte.
    Seitdem hatte sie das Gefühl, keine Zeit
versäumen zu dürfen. Aus Ansbach wurden schon einmal studierte
Folianten herangekarrt, andere in England und Holland für horrendes
Geld bestellt, so dass sich Friederike darüber im Klaren war, sich für
die kommende Karnevalssaison keine neuen Kleider leisten zu können. Die
Neckereien und Spiele, die ihr am Anfang des Sommers 1736 noch gefallen
hatten, begannen, sie nervös zu machen. Sie wollte arbeiten.
    Von weit her drangen das Gejohle der Männer
und auch ein spitzer Schrei Carolines zu ihr durch. Die Markgräfin
öffnete die Augen.
    Jetzt näherte sich auch Calisto wieder dem Reiher. Der
Markgraf fuhr hastig sein Fernrohr aus, um sein dunkles Falkenweibchen
deutlicher sehen zu können. Er feuerte es an und rief ihm Kosenamen zu,
die er nicht einmal für Elisabeth gebrauchte, doch Louise hatte schon
zu viel riskiert, um sich die Beute nehmen zu lassen. Mit einem
letzten, glamourösen Flugmanöver stieg sie über den Reiher und packte
ihn von oben mit ihren Fängen. Beide stürzten zur Erde. Die
Jagdgesellschaft stöhnte auf. Caroline schlug sich den Fächer vors
Gesicht. Der Erbprinz schmiegte sich an seine Mutter, und Friederike
küsste ihn und konnte sich endgültig nicht mehr auf Schwaningen
konzentrieren.
    Wie schon so oft fürchtete Kersmackers auch
jetzt, dass Louise sterben würde, wenn der Reiher es schaffte, sie mit
seinem dolchspitzen Schnabel zu durchbohren. Er fröstelte am ganzen
Körper, obwohl er einen Uniformrock aus festem Tuch trug. Der Markgraf
gab Befehl, die Meute loszuschicken. Die Männer folgten dem Gebell. Als
sie zu der Stelle kamen, wo die kläffenden Hunde einen Kreis bildeten,
sahen sie das Gerfalkenweibchen triumphierend auf dem Reiher stehen,
den es mit einem einzigen Schnabelhieb getötet hatte. Kersmackers gab
ihm eine saftige Taube. Louise sprang auf seine Faust, und er
streichelte glücklich ihren schönen Kopf, bevor er ihr wieder die Haube
aufsetzte.
    Der Markgraf dankte Friederike wortreich für
ihren wunderbaren Einfall, der ihnen dieses grandiose Schauspiel
beschert hätte. Auf offener Wiese wurde bis zum Einbruch der Dämmerung
schwerer Burgunder ausgeschenkt, wovon auch der Erbprinz zu

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