Falkenjagd
Dummheit wären.«
»So, hat sie das gesagt. Hat sie meinen denn auch gleich
verbrannt?«
»Ja, an der nächsten Kerze.«
»Also, was teilt sie uns mit, sprich er doch!«
»Die Dame wird in der kommenden Nacht um zehn Uhr am Herrieder
Tor von einem Holzfuhrwerk erwartet. Sie soll sich ärmlich kleiden, und
Gott und die Wünschin werden ihr beistehen.«
Die Markgräfin überwachte persönlich, dass
Caroline keine seidenen Strümpfe oder gar geblümte Negligés einpackte.
Nur zwei französische Liebesromane und eine Flasche kräftigen roten
Bullenheimer konnte das Freifräulein zwischen die Leinentücher
schmuggeln, die ihr Friederike für die Niederkunft mitgab. Missmutig
schlüpfte sie in das Mieder aus ungefärbtem Flachs, das man bei einer
verblüfften Zofe gegen eines aus feinstem Musselin getauscht hatte.
Ebenso einen einfachen Leinenrock ohne Reif, der sich, wie Caroline
allerdings zugeben musste, sehr bequem trug. Dann knotete sie sich auf
Anraten der Markgräfin noch ein wollenes Tuch um die Brust, denn die
Nächte waren kalt, und sie musste auch ihren Pelzumhang zurücklassen.
Zornig bürstete sich Caroline den Puder aus ihrem langen
zimtfarbenen Haar, der wie Brotkrümel auf dem Boden liegen blieb. Sie
zupfte die halbmondförmige mouche vom
Kinn, wischte die zähe Schminke ab und stand schließlich so schön wie
seit ihrer Ankunft im Ansbacher Schloss nicht mehr vor der Markgräfin.
Diese zog sie plötzlich an sich und küsste sie auf den Mund. Ihre Hände
verfingen sich in Carolines lang herabhängenden Haaren. Caroline
öffnete die Lippen und nahm Friederikes Gesicht in beide Hände. Aber
die Zeit drängte. Für einen weiteren Kuss blieb ihnen keine Zeit mehr.
Auch nicht für Abschiedstränen.
Die Flasche Wein trank Caroline noch während
der Fahrt. Als sie erwachte und Sonnenlicht durch die Holzsparren des
Gebälks glimmen sah, wusste sie nicht, wo sie war, solche Kopfschmerzen
hatte sie. Vorsichtig atmete sie den Geruch von frischem Heu aus ihrer
Matratze und den süßsäuerlichen der getrockneten Äpfel, die an langen
Schnüren quer durch den Raum baumelten. Weiter hinten im Dunkel hing
Wäsche zum Trocknen. Auf einem Stuhl entdeckte sie die fremden Kleider,
die sie gestern Nacht getragen hatte. Eine Truhe, noch ein Stuhl, sonst
war es zwischen den Dachschrägen leer. Zum ersten Mal in ihrem Leben
war Caroline froh, dass es keinen Spiegel gab. Staub segelte glitzernd
zu Boden. Sie spürte, wie sich das Kind in ihr bewegte.
Elisabeth hielt von Anfang an Distanz zu ihrem Gast. Keine
Sekunde ließ sie Zweifel aufkommen, dass sie, die Madame Wünschin, die
Herrin von Georgenthal war, die alle Fäden in der Hand hielt. Die
bestimmte, wie viel Fässer Sauerkraut eingelagert wurden und wie viel
Ster Holz der Ansbacher Hof zu liefern hatte. Die die Dienstboten
scheuchte, als hätte sie das ihr ganzes Leben getan. Mit wichtiger
Miene empfing sie den Juden, damit er ihr über die Zinsentwicklung
ihres Frankfurter Depots berichtete. Caroline hatte auf dem Dachboden
zu bleiben. Auf keinen Fall durfte der Markgraf von ihrer Existenz
erfahren, deshalb musste sie auch für die Mägde und Knechte möglichst
unsichtbar sein. Elisabeth selbst trug ihr das Essen hoch. Würziges
Suppenfleisch im Gemüsesud, Starkbier, Knochen, aus denen Caroline mit
Heißhunger das köstliche Mark löffelte, Eigelb, mit Rotwein und Zucker
verquirlt, damit sie für die nahende Entbindung gestärkt sein würde.
Nur nachts, wenn alle schliefen, spazierte sie ein paar Runden um das
kleine Schloss und hörte den Fröschen zu.
Sie sprachen zuerst nur das Nötigste miteinander. Elisabeth
hielt das Fräulein, das sich von einem Kerl hatte schwängern lassen,
von dem sie kaum mehr wusste als den Titel, schlicht und einfach für
dumm. Gleichzeitig ärgerte sie sich über deren kecke Bemerkungen und
wunderte sich, dass die kluge und herzensgute Markgräfin für solch eine
Person so viel riskierte. Aber der Wunsch der Markgräfin war ihr ein
heiliges Anliegen. Also würde sie das Freifräulein hüten wie ihren
Augapfel und auch dafür sorgen, dass das Kind keinen Schaden nahm.
Caroline wiederum wusste nicht, was sie mit einer anfangen
sollte, die noch nichts von Madame Pompadour, der Göttin am
französischen Hof, gehört hatte, mit der man nicht Molieres Stücke oder
wenigstens die neue Mode diskutieren konnte. Tatsächlich aber war ihr
die Wünschin nicht geheuer. War sie mächtig? Hatte sie Einfluss auf den
Markgrafen? Warum gab sie sich
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