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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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dann damit zufrieden, an der Peripherie
zu kreisen wie ein Mond?
    Elisabeths Sohn, vor dem sich die Anwesenheit der fremden Dame
nicht verbergen ließ, weil er gern auf dem Dachboden mit seinem zahmen
Frettchen spielte, fasste dagegen schnell Zutrauen zu Caroline. Nach
zwei Tagen waren sie Freunde. Sie band ihm seine flachsblonden Haare im
Nacken zu einem adretten Zopf, neckte und foppte ihn. Stundenlang
kauerte er brav vor ihrem Bett, das sie mit dicker werdendem Bauch kaum
noch verließ, und hörte mit offenem Mund zu, während sie ihm die
einzelnen Ansbacher Regimenter beschrieb. Flüsternd verriet er ihr, wo
er im Wald Fallen aufgestellt hatte und dass er später einmal eine
große Jagd reiten, vielleicht aber auch Soldat werden wollte. Sie
drückte ihm schmatzende Küsse auf seine runden Backen. Von seinem Vater
sprach Fritz nie.
    Sie begann, ihm aus ihren Romanen vorzulesen. Dass er etwas
begriff, bezweifelte sie. Zumal ihr selbst die Täuschungen,
Versteckspiele und Kabalen, die ihr noch vor ein paar Wochen so gut
gefallen hatten, inzwischen ziemlich blöd vorkamen. Bald aber fiel ihr
auf, dass Fritz manche der Szenen fast wörtlich wiederholen konnte. Das
gleiche sensationelle Gedächtnis wie sein Vater, dachte Caroline und
kritzelte begeistert einen schnellen Brief. Eingebacken in ein Brot,
erreichte er über viele Umwege die Markgräfin. Drei Tage später fand
ein hübsches, in einem dicken Ring geräucherter Würste verborgenes Buch
seinen Weg in das Georgenthaler Versteck.
    »›Törichte Ziege, dummer Hammel‹, schnauzte
das Schwein, ›ihr haltet euch für klug und gebildet, dass ihr mir
Vorschriften machen wollt. Glaubt ihr denn, dass der Bauer uns allein
zu unserem Vergnügen herumkutschiert?‹«
    Als Fritz diese Worte hörte, kuschelte er sich zu Caroline ins
Bett. Caroline hatte sofort erkannt, dass die Markgräfin ihre eigene
Ausgabe von La Fontaines Fabeln geschickt hatte, und fühlte sich ein
wenig getröstet. Die beiden waren so ins Lesen und Zuhören vertieft,
dass sie nicht bemerkten, wie Elisabeth die Speichertreppe hinaufkam.
    »Hättet ihr nur ein Fünkchen Verstand«, imitierte Caroline
gerade die Stimme des Schweins, »dann wüsstet ihr, auf welchem Weg wir
uns befinden.«
    Elisabeth raffte ihren Rock und setzte sich still auf den
Boden. Sie liebte solche spannenden Geschichten.
    »Bestimmt denkt die leichtsinnige Ziege, man will auf dem
Markt nur ihre Milch haben. Und du, törichter Hammel, glaubst
vielleicht, dass man es einzig auf deine Wolle abgesehen hat. Ich für
meinen Teil dagegen weiß es ganz genau, dass man mich mit dem vielen
guten Futter ausschließlich zu dem Zweck vollgestopft hat, weil man
mich töten und verspeisen will. Darum lasst mich um Hilfe schreien,
solange ich es noch kann!«
    Caroline blickte auf. Ihre Blicke trafen sich. Caroline
lächelte, Elisabeth auch.
    »Und wie geht es aus?«
    »Verrate ich nicht, Sie müssen schon selbst zuhören.«
    »Dann lesen Sie also bitte weiter.«
    »Setzen Sie sich doch zu Fritz und mir aufs Bett.«
    Zu dritt machten sie es sich auf dem Bett
bequem und Caroline las noch zwei weitere Fabeln vor. Elisabeth gefiel
am besten ›Der Hase mit den Hörnern‹. Ein Häschen, das gehört hatte,
dass alle Tiere mit Hörnern das Reich des Königs verlassen mussten,
bekam solche Angst, dass es zu guter Letzt seine langen Ohren für
Hörner hielt und freiwillig floh. Fritz fand das sehr komisch. Er
spreizte seine Finger zu langen Hasenlöffeln über den Kopf und hoppelte
ausgelassen durch den Speicher.
    »Wissen wir denn genau, wer wir wirklich sind? Ich meine, kann
man sich sicher sein, dass man ein Hase und kein Hörnertier ist und
umgekehrt?«, fragte Caroline. Eine Frage, auf die sie eigentlich keine
Antwort erwartete.
    »Doch, ich weiß es genau.« Elisabeth stand auf und strich
ihren Rock glatt. »Ich bin eine fest angebundene Ziege, die nicht
wegläuft, auch wenn sie Gelegenheit dazu hätte. Weil das schöne grüne
Futter sie träge gemacht hat.«
    »Ich war nie angebunden, leider.«
    Caroline lachte rau auf. »Ich müsste eigentlich weglaufen,
aber ich mache mich selbst zur Gefangenen, weil sie mich braucht.«
    »Wer?«
    »Ihre Königliche Hoheit.«
    Elisabeth starrte Caroline an, die anfing, ihren Bauch zu
massieren, der in letzter Zeit von einem Moment zum anderen steinhart
wurde.
    Elisabeth verstand nicht. Die Markgräfin, die Tochter des
preußischen Königs, die so fein und würdevoll war, sollte dieses
kindische Fräulein

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