Falkenjagd
gewickelt, ließen sie die verschneite
Landschaft an sich vorbeisausen.
Ende Januar 1744 kam für drei Tage eine italienische Truppe
nach Ansbach mit Harlekinen und Äffchen, die allerlei Kunststücke
vorführten. Auch ein Kastrat war dabei, dessen Gesang Friederike gut
gefiel und ihre Sorgen ein wenig vertrieb. Als die Italiener
weiterzogen und der Hof sich wieder wie ein Mehlknödel in Sauce mit
Langeweile vollsog, zitterte Friederike erneut darum, Caroline zu
verlieren. Ohne sie, das wusste sie, würde sie so mutlos und traurig
werden wie in den ersten Jahren in Ansbach. In ihrer Not entschloss sie
sich, dem Markgrafen zu Ehren eine lustige Bauernwirtschaft in
Schwaningen auszurichten. Sie und er würden einen schönen Abend lang
einfache Wirte darstellen, die Hofdamen und Kammerherrn Mägde, Bauern
und Knechte spielen. Der Markgraf liebte solche Vergnügungen, und für
ein paar Stunden waren sie alle von der Leichtigkeit eines anderen
Lebens überzeugt.
Über hundert Kostüme mussten in Auftrag gegeben werden, der
Umbau des Schwaninger Saals in ein verwinkeltes Holzdorf überwacht
werden.
An dem Morgen, an dem Friederike abfuhr,
ließ sich Caroline ihre Taille so fest schnüren, dass sie im Gesicht
blau anlief und kurz das Bewusstsein verlor. Die Markgräfin riet ihr,
sich mit Pulsrasen in ihr Zimmer zurückzuziehen, und befahl zur
Täuschung der Oberhofmeisterin gleich noch einen Aderlass.
Es war gegen Mittag, als die Kutsche der
Markgräfin auf der Fahrt nach Schwaningen in Triesdorf Station machte.
Ein Pferd lahmte und wurde ausgetauscht, außerdem war unterwegs eine
Speiche gebrochen. Die Luft tanzte auf den weiten Eisflächen der
überschwemmten Altmühlwiesen. Sie wünschte, Caroline wäre bei ihr, denn
die hätte sich jetzt sicher die Kufen untergeschnallt, Pirouetten
gedreht und geschlittert wie ein Lausbub. So aber stand die Markgräfin
eingehüllt in ihren Zobel da und schaute über die stille, helle
Landschaft. Ihre beiden stummen, hölzernen Hofdamen waren bald
vergessen, und der Oberhofmeisterin hatte sie die Erlaubnis gegeben,
sich im Falkenschloss mit heißem Wein aufzuwärmen.
Zuerst dachte sie, es wären Kaninchen oder vielleicht Füchse,
die sich auf dem Eis balgten. Dann sah sie, dass es eine Frau und ein
Knabe sein mussten. Friederike schirmte mit der Hand die spitzen
Sonnenstrahlen von ihren Augen ab und eilte über die gefrorenen Wiesen
auf die beiden zu. Es war wieder ein bisschen so wie in ihren ersten
Jahren als Markgräfin, als sie sich auf die einsame Insel Robinson
Crusoes fortgesehnt hatte, um der Wirklichkeit zu entfliehen. Wie er
erlebte sie jetzt den ersten schreckhaften und doch glücklichen Blick
auf andere menschliche Lebewesen. Der Knabe nahm Gestalt an, bekam Arme
und Beine und ein Gesicht mit rundem Kinn und dicken Wangen. Als sie
weiterging, wusste sie, wessen Sohn er sein musste. Sie warf seiner
Mutter ein Lächeln zu. Niemand außer ihnen dreien war jetzt noch auf
der Welt.
»Es ist die Frau Wünschin, nicht wahr?«
»Königliche Hoheit, welche Ehre, Ihre untertänigste Dienerin.«
Die Frau, deren blonde Locken an der Sonne Feuer fingen, versank vor
ihr in einen tiefen Knicks.
»Sie hat doch vor Kurzem ein kleines Mädchen bekommen, nicht
wahr? Wie geht es dem Kind?«
Elisabeth konnte diese Gnade, diese Gunst kaum fassen. Sie
blickte auf zu der schmalen Markgräfin, die mit ihrer weißen Pelzkapuze
über der weißen Perücke und dem weiß geschminkten Gesicht aussah wie
der gemalte Engel aus der Kirche der Katholiken. Nur die wachen blauen
Augen, die so irdisch neugierig und wach schauten, passten nicht zu
einem himmlischen Boten. Aber auch ganz und gar nicht zu einer
bösartigen oder gar närrischen Person, die mit ihren Experimenten Gott
ins Handwerk pfuschen wollte. So nämlich hatte Heistermann einmal über
die Markgräfin gelästert.
»Ihr kleines Mädchen?«
»O ja, sie zahnt schon und beißt mir kräftig in die Brust«,
lachte Elisabeth frei heraus.
Friederike lachte auch.
»Weiß sie, dass die kleine Eleonore, so heißt sie doch, am
selben Tag Geburtstag hat wie ich?«
Elisabeth errötete noch mehr und nickte.
»Ist er gut zu ihr und den Kindern?«, erkundigte sich
Friederike aufrichtig.
»Ja.«
»Das ist gut.«
Sie sahen sich weiter an, Elisabeth immer noch tief knicksend.
Wie frisch sie aussieht, dachte Friederike. Wie einer der
guten süßsauren Jungfrauenritt-Äpfel, die ich jetzt in Schwaningen
anbauen lasse. Sie hat auch noch alle Zähne im
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