Falkenjagd
stellte sich als gewitztes und
gelehriges Tier heraus, und Friederike schloss ihn besonders ins Herz.
Zu Wanderungen kam sie den ganzen Sommer über nicht mehr. Auch
um die Landwirtschaft und die Viehzucht kümmerte sie sich kaum noch.
Aber ihre Verwalter waren inzwischen gut geschult. Besonders vom
Kreuthof hörte sie nur Gutes. Dort wurde umsichtig und fleißig
gearbeitet. Die junge Frau des Verwalters, die geborene
Strumpfwirkerstochter, hielt die Mägde auf Trab und sorgte vor allem
dafür, dass auf dem Kreuthof weit und breit am feinsten gesponnen und
am kunstfertigsten gewebt wurde. Friederike freute sich, dass ihre
kleine Intrige von damals nicht nur Elisabeth von Nutzen gewesen war.
Mitte Juli trafen hintereinander viele
Bücher in Schwaningen ein. Der Lehrer, der mit Alexander in die
Niederlande gereist war, hatte von der Markgräfin heimlich viel Geld
bekommen, um sich nach wissenschaftlichen Neuerscheinungen umzuschauen.
Was er gewissenhaft und mit wesentlich mehr Freude tat, als den Prinzen
zu unterrichten. Gerade in diesem Jahr war James Douglas' Nine
anatomical figures , representing
the external parts , muscles , and bones of the human body erschienen. Begeistert packte sie auch William Hunters
Abhandlung über das Lymphgefäßsystem der Genitalorgane und den
schwangeren Uterus aus. Sie hatte schon früher gelesen, dass Hunter in
der Great Windmill Street in London ein nach modernsten Prinzipien
aufgebautes anatomisches Kabinett besaß. Ach, wenn sie doch auch einmal
dort hinreisen und es sich anschauen könnte! Es gab immer wieder solche
Tage, an denen sich Friederike auf ihrer friedlichen Insel, auf der sie
so frei wie sonst nirgendwo leben konnte, eingeengt und abgeschnitten
von der großen Welt fühlte. »Aber das ist eben der Preis«, flüsterte
sie sich zu und vertiefte sich noch einmal in Johann Nathanael
Lieberkühns Werk. Es fiel ihr schwer, sich dessen
Gefäßinjektionspräparate vorzustellen, die andere Anatomieprofessoren
als technische Meisterwerke lobten.
Die Nachrichten, die währenddessen aus
London nach Ansbach kamen, waren simpler. Allerdings beunruhigten sie
den Geheimen Ratspräsidenten Christoph Ludwig Seckendorff. Sicher,
König Georg, der seinen Neffen in Potsdam überhaupt nicht leiden
konnte, wollte nach wie vor nicht, dass dieser demnächst oder auch nur
in ferner Zukunft Ansbach einheimste. Er freute sich auch, dass der
junge Ansbacher Prinz in Utrecht studierte und sich auch schon seiner
Tochter, der Erbstatthalterin, in Den Haag vorgestellt hatte. Vorerst
könnte man jedoch keine Gelder nach Ansbach schicken, schließlich hätte
der österreichische Erbfolgekrieg, der nun ja glücklicherweise zu Ende
ging, die englische Staatsschuld auf neunundsiebzig Millionen Pfund
anwachsen lassen.
Der junge Seckendorff schlug mit der Faust auf seinen schönen,
mit Goldbeschlägen verzierten, vom Hofebenisten gefertigten
Schreibtisch. Seine Nase bohrte sich noch ein bisschen spitzer in die
stickige Luft der Ansbacher Kanzlei.
Charles hielt es für ein paar Wochen in
seiner Triesdorfer Sommerresidenz aus. Reitzenstein versuchte, ihn
aufzuheitern, war aber selbst zu melancholisch, weil er seit Alexanders
Abreisetag wieder viel zu viel an Carolines Nacken und ihre Art, über
die Treppen zu tänzeln, denken musste. Wer wusste schon, mit wem sie es
im Moment wieder trieb? Wenigstens aber war es ihm gelungen, heimlich
einen ihrer Handschuhe einzustecken.
Der Markgraf zeigte während dieser Wochen guten Willen,
entließ zwei Falkner und befahl seinem Hofmeister, für den Herbst drei
Empfänge und einen Ball zu streichen. Natürlich war das Seckendorff
nicht genug. Dann hörte Reitzenstein von einem gewissen Alexander
Benjamini, der behauptete, er könne in Bamberg hunderttausend Gulden zu
nur drei bis vier Prozent Zinsen besorgen. Der Markgraf beauftragte ihn
sofort. Schon fünf Tage später gestand der Mensch, sichtlich verlegen,
dass die Bamberger Juden dem Ansbacher Markgrafen keinen Kredit
einräumen würden. Er hätte schon alles verpfändet und kaum noch
Sicherheiten. Charles jagte ihn sofort aus dem Zimmer und schoss, als
der Mann unten aus dem Schlosstor rannte, mit einer Schrotflinte hinter
ihm her.
»Also hat mich Seckendorff jetzt am Wickel«, stöhnte er, als
er sich wieder etwas beruhigt und von Reitzenstein einen feuchten
Wickel auf die Stirn hatte legen lassen.
»Er kann jetzt«, fuhr er fort, »die Sondersteuer einführen,
die er schon lange plant. Meine Untertanen
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