Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken
uns klar, wie reich das Leben wirklich ist.«
Sie saßen eine Weile so zusammen und genossen es, zu wissen, dass ihre Zuneigung zueinander immer stärker wurde.
Malnar war nach Hause geeilt, erfreut über die Ereignisse dieser Nacht, aber noch mehr über den hochinteressanten Fund. Der seltsame Kraftring weckte in ihm unbegrenzte Erwartungen; dennoch hatte er beschlossen erst einmal gründlich auszuschlafen. Es war wichtig, dass er einen klaren Kopf hatte für seine Experimente mit dem Unbekannten.
Jetzt war es früher Nachmittag und Malnar saß in seinem Arbeitszimmer, umgeben von unzähligen alten Handschriften, die er aus Madi Tarais Zimmer herbeigeschafft hatte. Die Schriften über die Krafteisensteine hatten sich zu einem ansehnlichen Haufen aufgetürmt, auch wenn sie teilweise nur sehr flüchtige Hinweise gaben. Malnar brütete schon seit Stunden darüber. Die Halbringe lagen auf den beiden Seiten des Tisches und er war sicher, dass sie nur darauf warteten, ihm ihr Geheimnis zu verraten. Doch zuerst wollte er so viel wie möglich darüber lesen. Er hatte bereits herausgefunden, dass das ungewöhnliche Mineral zuerst in Urrukas entdeckt worden war, einem Land, von dem er noch nie gehört hatte. In seiner natürlichen Form erzeugte das Eisenerz nur ein sehr schwaches Kraftfeld. Doch wenn man es zu Tage förderte und den Elementen aussetzte, konnte es sogar Blitze auf sich lenken. Schlug der Blitz direkt in das Erz ein, entstand ein sehr viel stärkeres Kraftfeld. Krafterze kannte man in Andaurien bereits, bevor die Stämme nach Süden geflohen waren, aber Malnar fand keinen Hinweis darauf, dass sie solche Steine mit nach Nymath gebracht hätten.
Und doch besaß er nun nicht nur einen, sondern gleich zwei davon! Außerdem waren sie offensichtlich bearbeitet worden. Er nahm sie in die Hand und führte die beiden Stücke langsam aufeinander zu. Fast sofort spürte er, wie sie sich gegenseitig anzogen, aber er gab ihrer Kraft nicht gleich nach, sondern genoss das pulsierende Gefühl, als er die beiden Hälften daran hinderte, sich allzu schnell zusammenzufügen. Endlich gab er nach und ließ zu, dass sie sich mit einem Klacken zu einem vollkommenen Ring vereinigten. Mit beträchtlicher Kraftanstrengung zog er die beiden Hälften wieder auseinander und drehte eine von ihnen um. Sosehr er es auch versuchte, es gelang ihm nicht, die beiden Hälften zusammenzubringen. Es war, als stoße er ständig gegen ein federndes, aber unnachgiebiges Kissen, und jedes Mal, wenn er sie zusammenzwingen wollte, glitten sie seitwärts ab und drängten auseinander, als hätten sie ein eigenes Leben.
Schließlich warf Malnar die beiden Ringhälften wieder auf den Tisch, stand auf und ging im Zimmer hin und her, wobei er aufgeregt an seinem langen Bart herumspielte. Er musste diese Kraft verstehen lernen! Er wusste, dass er mit den beiden Steinen auf kleinem Raum ein beträchtliches Kraftfeld erzeugen konnte. Ein unsichtbares Kraftfeld, eine rohe Macht, die im Herzen der Erde schlummerte und ungeheure Möglichkeiten eröffnete. Die Aufregung ließ sein Herz höher schlagen; unruhig kehrte er zu seinem Stuhl zurück. Mit einer Handbewegung fegte er die Schriftrollen auf den Boden und legte eine der Ringhälften auf die linke Seite des Tisches, sodass die beiden Enden nach innen zeigten. Dann schob er die andere Hälfte langsam von rechts über den Tisch auf die linke zu. An einem bestimmten Punkt begann die frei liegende Hälfte zu beben und zu zucken und sich abzustoßen. Malnar stutzte, drehte seine Ringhälfte um und setzte den Versuch fort. Einen Augenblick später schoss die links liegende Hälfte auf sein Gegenstück zu und schlug mit einem Klacken zu einem vollen Ring zusammen. Malnar nahm ihn in die Hand und schob ihn vorsichtig über seine Hand, wobei er die Augen schloss, um sich besser auf die Empfindungen konzentrieren zu können. Ein Kitzeln lief über seine Haut; er öffnete die Augen und zog die Hand schnell wieder heraus. Er hatte das Kraftfeld gespürt! Jetzt hob er den Ring hoch ins Licht und starrte die leere Mitte an, drehte ihn hin und her, um festzustellen, ob in ihm irgendetwas verborgen war.
Er spürte, dass er sich in seiner Aufregung völlig verkrampft hatte; sein Rücken schmerzten. Er legte den Ring beiseite, rollte die Schultern und massierte die Nackenmuskeln. Das Licht war immer schwächer geworden, deshalb stellte er die Lampe auf den Tisch und zündete noch ein paar Kerzen an. Wieder nahm er
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