Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken
Bardelph, der sofort verstanden hatte.
Alduin nickte und starrte auf seine Fußspitzen hinunter. »Ich hab's mal versucht, als Rihscha gerade geschlüpft war. Aber ich hab's nicht geschafft. Ich glaube, ich kann es nicht.«
»Schau, mein Junge, Tiere als Nahrung zu jagen ist nicht böse oder verwerflich, solange man es richtig macht. Und man darf nie die Achtung vor ihnen verlieren. Dazu gibt es ein paar Regeln: Töte nie mehr Tiere als unbedingt nötig! Benutze alles von dem Tier, was du verwenden kannst! Und töte die Böcke, nicht Muttertiere mit Jungen! Außerdem sollte man ein Tier so schnell und schmerzlos wie möglich erlegen.«
»Falken jagen auch«, warf Rael ein.
»Stimmt«, bestätigte Bardelph. »Das wirst du erst richtig verstehen, wenn Rihscha fliegt. Bis dahin solltest du versuchen das ganze Muster zu begreifen, das die Natur in Kreisläufen gewoben hat, und dazu gehört eben auch der Mensch. In der Natur geht nichts verloren und sei es noch so klein und unbedeutend. Es ändert nur die Form. Das Fleisch, das du isst, wird ein Teil von dir und du wirst ein Teil der Erde, wenn du stirbst, und aus der Erde wachsen neue Pflanzen, die von Tieren gefressen werden, die selbst wieder Nahrung für andere Lebewesen sind. Verstehst du das?«
Alduin nickte und seine Miene zeigte, dass er langsam zu begreifen begann.
»Gut. Also, gehen wir«, befahl Bardelph und marschierte los.
Sie folgten einem kaum sichtbaren Pfad, der sich zwischen den Bäumen am Ufer hindurchwand. Mit größter Aufmerksamkeit blickten sie sich um und hofften inständig, dass der Regen noch auf sich warten lassen würde. Nach einer Weile erreichten sie den Rand einer grasbewachsenen Lichtung, wo sie geräuschlos hinter den Bäumen in Deckung gingen, die Pfeile schussbereit in die Bogen gelegt. Ihre Mühe wurde belohnt. Ein kleiner Peeribock trat anmutig in das Dämmerlicht hinaus, hob den Kopf und witterte in alle Richtungen. Er nahm keine Gefahr wahr, senkte den Kopf und begann zu grasen, wobei er sich langsam zum Ufer bewegte. Als er in ihre Schusslinie kam und ihnen den Kopf zuwandte, gab Bardelph Alduin ein Zeichen, zu schießen. Panik jagte über Alduins Gesicht, doch dann nickte er, atmete tief ein und hob den Bogen. Er spannte den Pfeil in die Sehne und zog sie zurück, soweit er konnte. Im Unterricht hatte er schon Ziele über viel größere Entfernungen sehr sicher getroffen; er brauchte also nicht zu befürchten hier einen Fehlschuss abzugeben. Da er begriffen hatte, wie wichtig es war, schmerzlos und schnell zu töten, hielt er seine Hände ganz ruhig: Ein guter Schuss war die einzige Möglichkeit, dem Tier unnötige Qualen zu ersparen.
Der Pfeil schnellte von der Sehne und drang tief in die Brust des Bocks, der mit den Vorderläufen einknickte, zur Seite fiel und bewegungslos liegen blieb.
Bardelph drückte Alduin beruhigend die Schulter. Doch der Junge stand zitternd und wie betäubt, kaum fähig zu begreifen, was er getan hatte, von Stolz ganz zu schweigen. Selbst als sein Verstand wieder einsetzte, blieb sein Herz stumm.
»Hervorragend. So ist es richtig«, kommentierte Bardelph, der spürte, dass er Alduin loben musste. »Jetzt schlagen wir einen kräftigen Stock und binden den Bock daran. Und dann so schnell wie möglich zum Lager zurück.«
Als sie das Lager erreichten, waren die Hütten bereits gedeckt - und keinen Augenblick zu früh. Starker Regen setzte ein, was zunächst die Freude über das Jagdglück dämpfte, aber als die Jungen hörten, dass Brentin einen gut geschützten Flecken für das Lagerfeuer gefunden hatte, stieg die Stimmung wieder. Es war eine Höhle am Fuß eines Hügels unter einem gewaltigen Purkabaum, der bei einem früheren Gewitter vom Blitz getroffen worden war. Das sandige Erdreich unter seinem weit ausladenden Wurzelwerk war vom Regen weggespült worden und die Wurzeln bildeten ein natürliches Dach, das dicht von Gras, Gebüsch und Moos überwuchert wurde. Daraus ragte der gewaltige, hohle Baumstamm wie ein Schlot heraus und zog den Rauch von dem Feuer ab, das sie direkt darunter anzündeten. Der Boden war völlig trocken und bot Raum für die gesamte Gruppe. Bardelph fand sogar Platz genug, um den Rehbock hereinzuziehen. Er zeigte ihnen mit geschickten Schnitten seines Jagdmessers, wie das Tier gehäutet werden musste.
»So, nun brauche ich ein paar Freiwillige, die draußen das Fell säubern. Dazu müsst ihr aber einen trockenen Flecken finden, sonst nützt es nichts.«
Zwei
Weitere Kostenlose Bücher