Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken
dem harten Marsch und dem langen, ermüdenden Tag fühlten sie sich stärker zusammengehörig. Viele gähnten, aber freiwillig wollte niemand schlafen gehen, bis Bardelph schließlich ein Machtwort sprach. Sie zogen ihre Umhänge um die Schultern und krochen in die Hütten.
Der neue Morgen dämmerte mit klarem Himmel; die Vögel sangen fröhlich in den Bäumen. Das Fleisch hing immer noch über dem Wasser, wie sie es aufgehängt hatten, aber Brentin war erschrocken, als er in der Nähe der Feuerstelle die Spuren einer Wildkatze entdeckte. Schnell holte er trockenes Holz aus einer der Hütten und fachte das Feuer wieder an.
Bardelph brachte ihnen viel Neues bei. Er zeigte ihnen, wie man Schilfkörbe mit großen Öffnungen flocht, in denen sich Fische fangen ließen. Sie banden die ungewöhnlichen Reusen an dünne Schnüre und schleuderten sie so weit wie möglich in den See hinaus. Dann wurden sie wieder an Land gezogen, zuerst langsam, dann immer schneller, und am Schluss wurden sie förmlich aus dem Wasser gerissen. Der See musste von Fischen wimmeln, denn die Körbe waren immer gut gefüllt. Bardelph zeigte ihnen auch, welche Fische gut schmeckten und welche ungenießbar waren. Bald brutzelte der reiche Fang über Brentins Feuer. Die Jungen lernten, welche Pflanzen sie essen durften - Dök war eine der nützlichsten, die es in dieser Gegend gab - und welche Wurzeln sie ausgraben konnten, um daraus sättigende Beilagen zu bereiten.
Als die Sonne den Zenit erreichte und der Tag immer heißer wurde, schlug Rael vor im See zu schwimmen. Innerhalb von Minuten hatten sich alle ausgezogen und sprangen ins Wasser. Kurz darauf tobte eine wilde Wasserschlacht, bis Bardelph feststellte, dass die ersten Lippen blau vor Kälte wurden. Er befahl allen aus dem Wasser zu kommen und sich in die Sonne zu legen.
»Was ist denn das an deinem Arm?«, fragte Rael, als er und Alduin sich eine Weile später anzogen. Ein paar andere Jungen hörten die Frage und kamen neugierig näher.
»Sieht wie der Abdruck von Falkenklauen aus«, rief einer von ihnen.
»Das ... ist ... nichts ...«, stotterte Alduin verlegen und versuchte hastig das Hemd anzuziehen.
»Was heißt nichts?«, wollte Rael wissen. »Twith hat Recht, das sieht wie Klauenmale aus.«
Alduin wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Er sah sich nach Bardelph um, aber der war zum Lager zurückgegangen, um sich auszuruhen. Alduin seufzte. »Es ist passiert, kurz nachdem Rihscha schlüpfte«, begann er. »Ich stieg noch einmal auf den Felsen, wo ich das Ei gefunden hatte und dann ... na ja ... ich stand einfach da und plötzlich kam die Falkenmutter zurück ... mit ihrem Gefährten. Ich hob die Hand, um meine Augen vor der Sonne zu schützen und die Falken besser sehen zu können, und ... sie landete einfach auf meinem Arm. Die Male sind seither nicht mehr verschwunden ...« Er brach ab und zuckte hilflos die Schultern.
Rael starrte ihn mit offenem Mund an, offensichtlich sprachlos. Aus den Augenwinkeln bemerkte Alduin, dass Twith mit der Hand ein seltsames Zeichen machte, als wolle er sich vor etwas Bösem schützen.
»Das muss doch etwas bedeuten«, sagte Rael schließlich heiser. »Ich glaube, ich erinnere mich an eine Sage ...«
Alduin zog schnell das Hemd über den Kopf, rollte die Ärmel hinunter und hoffte das Gespräch schnell beenden zu können. »Schon möglich, aber ich habe keine Ahnung, was es bedeutet.«
Schweigend gingen sie zum Lager zurück. Bardelph verriet ihnen noch ein paar Jagdtricks, brachte ihnen das Angeln bei und gab ihnen viele wichtige Hinweise, wie sie in der Wildnis überleben konnten, aber Alduin war nicht mehr richtig bei der Sache. Etwas hatte sich verändert. Er beobachtete, dass Twith mit einigen anderen Jungen flüsterte und dabei immer wieder verstohlen zu ihm herüberblickte. Er war sicher, dass sie über ihn tuschelten. Rael verhielt sich zwar immer noch freundlich, schien ihn aber geradezu ehrfürchtig zu betrachten, wie eine mythische Gestalt, die soeben aus einer Sage in die Wirklichkeit getreten war.
Später schickte Bardelph die Jungen in den Wald, um alles herbeizuschaffen, was sie für das Abendessen finden konnten, während er sich im Lager ausstreckte, um ein, wie er meinte, schwer verdientes Nickerchen zu halten. Alduin ging allein los und wanderte eine Zeit lang ziellos im Wald herum. Seine Gedanken waren meilenweit von Jagd, essbaren Pflanzen oder Wurzeln entfernt; stattdessen dachte er über die Kette
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