Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
Festmahl!«
Als Erilea das Kaninchen gehäutet, zerteilt, die Stücke in Dökblätter gehüllt und in die Glut gelegt hatte, war die Sonne bereits untergegangen. Eine kühle Brise wehte von den Bergen herab und kräuselte die Oberfläche des Sees. An ihre Ohren drang das Geräusch von jemandem, der durch Wasser watete - Rael war fast da.
»Hmmmm, das duftet ja köstlich«, klang es gleich darauf aus der Dämmerung vor ihr. Und dann stand er vor ihr, stellte sein Bündel auf den Boden und sah Erilea verschmitzt an.
»So etwas erfreut das Herz eines müden Wandersmanns.«
»Oh Rael, Emo sei gepriesen, dass du gekommen bist«, rief Erilea, sprang auf und umarmte ihn. »Ich war schon am Ende meiner Weisheit und wusste nicht mehr, was ich noch tun sollte. Eigentlich wollte ich abwarten, bis die Monde einen weiteren Zyklus abschließen, aber da du jetzt hier bist, fällt uns vielleicht ein besserer Plan ein!«
»Ich bin gekommen, so schnell ich konnte. Cal hat das Bewusstsein wiedererlangt und sagt, dass Alduin in großer Gefahr sein könnte. Was ist geschehen? Wo steckt er?«
»Er ging auf die Insel ... aber sie ist verschwunden ... und sie taucht erst wieder auf, wenn der Mondzyklus ...«
»Langsam, langsam«, unterbrach Rael sie. »Ich verstehe kein Wort. Am besten fängst du ganz von vorne an.« Er zögerte und sah mit großen Augen auf das Feuer und die Köstlichkeiten, die darin brutzelten. »Aber ehrlich gesagt - ich sterbe wirklich schon fast vor Hunger.«
»Tut mir leid. Natürlich. Ich kann dir alles beim Essen erzählen.«
Behutsam fischte Erilea die Päckchen mit Fleisch und Gemüse aus dem Feuer und wickelte die Dökblätter auseinander. Ein herrlicher Duft stieg auf. Erilea legte ein paar Äste auf die schwindende Glut, blies sanft hinein, bis das Feuer wieder aufflackerte, und lud Rael ein, sich neben sie zu setzen. Zunächst teilten sie das Mahl schweigend, doch dann begann Erilea, ihm von all den Abenteuern zu erzählen, die Alduin und sie erlebt hatten, seit sie die Ebenen des Mangipohr verließen.
»Hast du die Kate gesehen?«, fragte sie.
»Ja. Ich habe mein Pferd dort bei Fea Lome gelassen und bin hier heraufgeklettert.«
»Du meine Güte, Fea hatte ich völlig vergessen«, rief Erilea aus. »Geht es ihr gut?«
»Bestens. Und jetzt hat sie obendrein noch Gesellschaft«, beruhigte Rael sie. »Erzähl mir, was sich zugetragen hat, nachdem ihr beide hier oben angekommen seid.«
Erilea schilderte ihm, wie Alduin klar geworden war, dass sie die Vollmonde abwarten mussten und dass die Insel tatsächlich erschienen war.
»Das war vor zwei Nächten«, sagte sie. »Als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, war sie wieder verschwunden.« Sie seufzte. »Und für uns wird sie das auch bis zu den nächsten Vollmonden bleiben«, fügte sie hinzu, »es sei denn, Sivella sieht etwas, was wir nicht ahnen.«
Als wollten sie sich über ihre Verzweiflung lustig machen, wählten die Reh- und Kitzmonde genau jenen Augenblick, um am nächtlichen Himmel emporzusteigen. Einem unaufmerksamen Auge wären sie fast rund erschienen, doch Erilea wurde schmerzlich bewusst, welch weiten Weg sie noch vor sich hatten, bis sie wieder voll sein würden. Dennoch konnte sie die Schönheit und Magie nicht verleugnen, die sie ausstrahlten.
Je höher sie stiegen, desto leuchtender schimmerte das silbrige und kupferne Band, das sich auf dem Wasser spiegelte gleich einem festen Pfad, der direkt bis an ihr Lagerfeuer zu reichen schien.
Plötzlich sprang etwas zwischen den Bäumen hervor, ein goldener Blitz, der an Erilea und Rael vorbeipreschte und erst am Ufer innehielt. Zuerst wirkte die Gestalt schemenhaft, schien wabernd zu schrumpfen und zu wachsen, wirkte bald wie die Form einer Frau, bald wie die eines Tieres. Doch als die Monde höher stiegen, erfasste ihr Licht die ganze Erscheinung und verlieh ihr Gestalt.
»Elin!«, rief Erilea und sprang auf.
»Vorsicht, Erilea«, warnte Rael und ergriff ihre Hand. »Du kannst nicht sicher sein, dass es dieselbe Katze ist.«
Noch während er sprach, drehte die Arekkatze den Kopf und schaute Erilea in die Augen. Alle Zweifel verflogen. Es war Elin, und Erilea spürte plötzlich, dass sie sich in der Gegenwart eines Wesens befanden, das weit mehr war als ein Tier. Sie erinnerte sich an das unerklärliche Gefühl der Vorfreude, das sie den Tag über verspürt hatte.
Sie löste die Hand aus Raels Griff, hob sie ehrerbietig an die Stirn und verneigte sich.
Die Raubkatze neigte
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