Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
wir vielleicht brauchen könnten.« Gemeinsam verschwanden sie in der Hütte, und kurz darauf kam Aranthia mit einem Bündel in der Hand zurück. Alduin atmete erleichtert auf. Er wusste, dass sie darin stets ihre Heilmittel aufbewahrte. Seine Mutter hatte also verstanden!
Bardelph folgte ihr. Er trug eine vollgepackte Satteltasche und verschwand hinter der Hütte. Kurz darauf kam er mit einem Esel zurück.
»Kann nichts schaden, Skip mitzunehmen. Wir wissen nicht, was uns erwartet.« Er hievte die Tasche auf den Rücken des Tieres.
Aranthia lächelte den Raiden an und reichte ihm ihr Bündel. »Guter Gedanke«, sagte sie mit einem verschmitzten Grinsen, das von einem jungen Mädchen hätte sein können.
Als Aranthia und Bardelph aufbrachen, hob Rihscha ab und flog in kurzem Abstand voraus, sodass sie ihm trotz der einsetzenden Dunkelheit mühelos folgen konnten. Schon bald erreichten sie den Pfad, der zur Schlucht führte. Die Sterne funkelten am tintenschwarzen Himmel.
»Mutter! Den Göttern sei gedankt, dass du kommst!«, rief Alduin, nachdem er sich aus der Verbindung mit Rihscha gelöst hatte. Große Erleichterung schwang in seiner Stimme mit.
»Alduin!« Seine Mutter warf einen suchenden Blick über die Schlucht, doch sie konnte ihn in der Finsternis nicht erkennen. »Was ist geschehen? Was machst du hier?«
»Das ist eine lange Geschichte«, antwortete Alduin. »Aber zuerst das Wichtigste: Auf dem Pfad unter euch liegt ein Mann, mein Reisegefährte. Er scheint schwer verletzt. Ich weiß nicht, wie schlimm es um ihn steht.«
»Wir sehen sofort nach ihm«, gab Aranthia zurück. »Was ist mit dir?«
»Keine Sorge, alles in Ordnung. Bin bloß mächtig froh, dich zu sehen!«
Bardelph warf Aranthia einen Blick zu. Er wusste, wie sehr es sie danach drängte, ihren Sohn in die Arme zu schließen. Doch zuerst würde sie sich um den Verwundeten kümmern müssen. »Komm«, sagte er sanft. »Ich gehe voraus.« Er reichte ihr die Laterne. »Leuchte mir, damit ich etwas sehen kann.«
Der Raide band Skip an einen Baum und bahnte sich geschickt den Weg nach unten. Der Kataure regte sich und stöhnte bei dem Versuch, sich hochzustemmen.
»Bin wohl in Ohnmacht gefallen«, murmelte er erleichtert, als er das Licht in der Dunkelheit erblickte. Trotz aller Schwäche klang seine Stimme brummig. »Wenn die anderen davon erfahren, wird mir das ewig nachhängen.«
»Nur die Ruhe, guter Mann«, sagte Bardelph und kauerte sich neben ihn nieder. »Lasst mich Euch helfen.«
Cardol zuckte zusammen, als Bardelph ihm unter die Arme griff, um ihn hochzuheben. Das Seil am Handgelenk war so straff gespannt, dass sich die Haut darunter schon blau verfärbt hatte.
»Nehmen wir ihm das erst mal ab.« Bardelph begann, das Tau zu lösen.
»Nicht loslassen!«, rief der Kataure. »Wir müssen die Brücke hochziehen!«
»Keine Bange.« Bardelph hatte sofort begriffen, was der Mann vorgehabt hatte. »Ich kümmere mich darum, dann schicke ich die Heilerin herunter, damit sie nach Euch sieht.«
Bardelph packte das Seil mit beiden Händen. Unwillkürlich musste er sich mit dem Rücken gegen die Felswand lehnen, als das Gewicht der Brücke ihn in die Tiefe zu reißen drohte. Verblüfft warf er einen Blick auf den Verwundeten. Es war ihm unerklärlich, wie ein Mann eine solche Last so lange hatte halten können.
Entschlossen umklammerte er das Tau noch fester und erklomm behutsam den Pfad, stets darauf bedacht, das Gewicht der Brücke auszubalancieren, die sich langsam über die Schlucht spannte. Als er oben ankam, rief er nach Aranthia. »Bring rasch Skip hierher! Ich weiß nicht, wie lange ich die Brücke noch halten kann!«
Aranthia band den Esel los und führte ihn zu Bardelph, der das Seil am Bauchgurt des Tieres festband.
»Danke«, sagte er mit einem erschöpften Lächeln. »Geh besser runter und sieh nach dem Mann. Offensichtlich hat es seinen Fuß übel erwischt.«
Aranthia zündete eine zweite Laterne an, griff nach ihrer Tasche und kletterte den Pfad hinunter. In der Zwischenzeit führte Bardelph den Esel so weit vom Abgrund weg, bis sich die Hängebrücke straffte. Jetzt konnte er die Spannseile und Pfosten greifen und die Brücke befestigen. Er suchte ein paar kräftige Bäume aus, um die Pfosten zu verkeilen.
Von der anderen Seite der Schlucht tönte eine Stimme. »Soll ich es jetzt mal versuchen?«, rief Alduin ungeduldig.
»Ich muss hier erst noch alles sichern«, gab Bardelph zurück. »Übernimm du das auf deiner
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