Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
Falkenmeister stumm an. Gemeinsam standen sie auf und gingen hinaus in den klaren, sonnigen Tag, der so gar nicht das widerspiegelte, was in ihnen vorging.
Erschöpft kletterte Alduin die steinige Vulkanflanke hinauf.
Mit jedem Schritt drohte das lockere Gestein nachzugeben und ihn in die Tiefe zu reißen. Die pulsierende Hitze setzte ihm unbarmherzig zu. Er fühlte sich wie ausgetrocknet. Doch sein innerer Drang ließ ihm keinen Moment Ruhe. Trotz der Fieberschübe schleppte er sich voran. Und obwohl er sein Ziel nicht kannte, hoffte er doch auf Erlösung, wo immer es ihn hintrieb.
Er folgte einem Fluss, der immer weniger Wasser führte, je länger Alduin ihm folgte. Bald versiegte er in einem Schlammbett - umrahmt von trockenem, dornigem Buschwerk.
Es war kaum ein Tag vergangen, seitdem er den sicheren Schutz der Höhle aufgegeben hatte, und doch fühlte er sich schon völlig orientierungslos. Seine nackte Haut war der Hitze ausgesetzt, und in seinem Kopf pochte es. Hoch über ihm kreiste der Falke träge am Himmel, doch die seltsame Verschmelzung mit dem Raubvogel, die ihn durch seine Augen sehen ließ, war nicht wieder zustande gekommen. Alduin hielt inne. Er war gefangen von der Anmut seiner Bewegungen und verlor sich darin. Wie sehr sehnte er sich danach, dieses unbeschreibliche Gefühl des Fliegens noch einmal erleben zu dürfen.
Ein Gedanke blitzte in seinem Unterbewusstsein auf. So angestrengt er auch versuchte, ihn festzuhalten, entglitt er ihm doch immer wieder. Es war wie das Wort, das auf der Zunge lag, wie eine Vision, die man nicht greifen konnte.
Die Anstrengung erschöpfte ihn. Schwarze Schemen tanzten vor seinen Augen, und er hörte einen irritierenden Summton.
Schließlich gab er einfach auf. Er gab auf, seinen Blick zum Himmel zu richten, er gab auf, sich über die losen Steine zu kämpfen, er gab die Hoffnung auf, Wasser zu finden, er gab auf, sich nach irgendetwas zu sehnen, und er hörte auf nachzudenken. Kraftlos sank er in sich zusammen und lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Felsbrocken. Er spürte kaum noch die Schmerzen, unterwarf sich der sengenden Sonne und schloss die Augen. Von nun an ließ er den Gedanken ihren Lauf und war erleichtert, endlich frei zu sein.
... heißer Schlamm brodelte in die Höhe und spie Schwefeldampf in die Luft ... Einen Augenblick lang sank Rihscha gefährlich nahe in die übel riechenden Schwaden hinab. Die aufsteigende Hitze schleuderte ihn bald hierhin, bald dorthin ... Gerade noch im rechten Moment fing er sich und flog eine scharfe Wende, ehe er sich mit mächtigen Schwingenschlägen hinauf zum Rand des Kraters erhob ... Plötzlich spürte er Alduins Gegenwart, und das Gefühl der Freude durchströmte ihn ...
Ich verstehe nicht ... Wie geschieht das ...?
Rihscha konnte die Frage seines Gefährten nicht beantworten. Er wusste nicht, wie die Verbindung zustande kam, er wusste nur, dass es sie gab. Er sandte Alduin all die freudigen Gefühle, die in ihm emporstiegen: Gefühle des Willkommenseins, der Freundschaft und der Ermutigung ...
Alduin öffnete die Augen, sah sich um und stand mühsam auf. Er fühlte, wie frische Energie die Teilnahmslosigkeit verdrängte und sein Bewusstsein langsam wiederkehrte. Für einen Moment blickte er noch recht benommen zum Himmel, doch dann war er wieder Herr seiner Sinne.
War das die Antwort? War es tatsächlich so einfach? Musste er nur die Augen schließen und fest an die Verbindung mit dem Falken glauben? Sollte er es wagen? Was sprach dagegen? Was aber, wenn er enttäuscht werden würde? Er wollte die Herausforderung annehmen und sich von seiner inneren Stimme leiten lassen.
In Alduin kämpften widerstrebende Gefühle. Womöglich war die Verbindung mit dem Falken der einzige Weg, ihm aus diesem Irrgarten von zerklüfteten, felsigen Schluchten und gefährlichen Ab- gründen herauszuhelfen - vielleicht sogar der einzige Weg zu überleben!
Langsam schloss er die Augen und verdrängte jeden Zweifel. Binnen eines Lidschlags blickte er von oben auf sich selbst herab. Verblüfft schlug er die Augen wieder auf.
Ein so übermächtiges Gefühl der Zufriedenheit und Zuversicht durchströmte ihn, ließ ihn alle Anstrengung vergessen und gab Raum für neue Hoffnung.
Rihscha würde ihn aus seiner misslichen Lage befreien.
Alduin suchte sich einen schattigen Platz neben dem großen Felsen, setzte sich wieder und war eins mit dem Falken.
Rihscha ... Ich brauche Hilfe. Zeig mir den Weg, der
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