Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
mich aus diesem Labyrinth herausführt ...
Der Wildvogel stieg mit dem Aufwind und gab die Sicht frei über eine breite Landschaft. Er trieb direkt über den kantigen Krater, dessen Hänge zu einer Halbinsel abfielen, die ins Meer ragte. Etwa ein halber Tagesmarsch entfernt schlängelte sich ein schmaler Wasserlauf durch saftige Felder und mündete am Hafen ins Meer. Durch die Augen von Rihscha konnte Alduin mehrere kleine Hütten erkennen, die am Ufer verstreut lagen. Um dorthin zu gelangen, musste er zwei Gebirgskämme überwinden. Dann würde er auf den schmalen Pfad treffen, der zu den bescheidenen Hütten in dem lang gestreckten Tal führte.
Der Anblick weckte in ihm verschwommene Erinnerungen. Bald setzten sich vor seinen Augen Bilder von Siedlungen wie Teile eines Puzzles zusammen. Das Gefühl der Vertrautheit nahm zu, und er spürte, dass er bald Hilfe finden würde. Er schöpfte neue Hoffnung.
Rihscha ... Ich sehe einen Weg... Halte die Position, aber bleib in der Nähe!
Rihscha stieß einen Schrei aus, als Alduin die Verbindung abbrach. Der junge Mann beobachtete, wie der Falke noch zwei Runden flog und dann in ein Gebiet abdrehte, das ihm gute Beute verhieß. Nachdem er ihm noch eine Weile sehnsüchtig nachgeblickt hatte, drehte er sich um und ging in Richtung des ersten Felsens, der über eine steinige Schneise zum Kamm hinaufführte. Er nutzte seine letzten Kraftreserven, um ihn in Angriff zu nehmen. Doch bald schon waren seine Hände zerkratzt, und seine Kehle trocken wie der Staub, den er mit jedem Schritt aufwirbelte. Die Wunde an seiner Schulter war wieder aufgebrochen. Die übel riechende Flüssigkeit, die den Arm heruntersickerte, lockte die Fliegen an, die er mit letzter Kraft zu verscheuchen versuchte. Endlich hatte er den Gipfel erklommen und ließ sich auf der anderen Seite den Abhang herabrutschen. Von unzähligen Schürfwunden zerschunden, erreichte er den Fuß des zweiten Kammes. Hartnäckig kämpfte er sich weiter voran, schleppte sich auf Händen und Knien den nächsten Berg hinauf. Einzig und allein die Gedanken an den Pfad, der ihn zum Dorf hinunterführen würde, hielten ihn noch auf den Beinen. Als er die Kuppe erreicht hatte, suchte er das Geröllfeld vor ihm mit fiebrigem Blick ab. Doch so weit das Auge reichte, es breitete sich nur eine kahle, staubige Landschaft vor ihm aus.
Hatte er sich getäuscht? Waren es vielleicht mehr als nur zwei Berghänge gewesen? Oder hatte er am Ende die falsche Richtung eingeschlagen? Einen Augenblick war er wie erstarrt in seiner Verzweiflung. Doch dann erinnerte er sich an seine neu gewonnenen Fähigkeiten. Er musste mit Rihscha Verbindung aufnehmen.
... gleißend funkelte der Schnee unter dem Falken, der über die hohen Berggipfel flog ... doch noch während er in nie erreichte Höhen aufstieg, wurde er von einem strahlenden Licht erfüllt, eine Explosion reiner Energie, die sich entfaltete, als seine Falkennatur allmählich mit seinem menschlichen Gefährten verschmolz ... Der dünne Grat, der die beiden Geschöpfe noch voneinander trennte, schwand nach und nach ... Krath und Cal würden nie mehr ...
Erilea streichelte Sivellas Brust und flüsterte dem Falken liebevoll zu. »Hallo, du Schöne. Das ist aber eine Überraschung. Aber wo ist Rael? Ob er wohl nach mir sucht? Oder ist es nur ein Zufall, dass wir uns hier begegnet sind?«
Natürlich konnte der Falke keine Antwort geben, zumindest keine, die Erilea verstehen konnte. Stattdessen putzte er sich das Gefieder. Dann sah er sich um, als wolle er die Umgebung in sich aufnehmen, und erhob sich wenige Momente später in die Luft, kreiste einmal um Erilea, als wolle er sich vergewissern, dass sie ihn beobachtete, und flog dann weiter nach Osten in Richtung Sanforan davon.
»Sieht nicht so aus, als wäre Rael in der Nähe«, murmelte die junge Wunand-Amazone. »Was das wohl zu bedeuten hatte?«
Erilea versank tief in Gedanken. Eigentlich war ihr in der Zeit des Parna der Umgang mit anderen Menschen untersagt. Doch das war im Moment vergessen. Sollte sie einfach ihre Sachen packen und Sivella folgen? Sie war fest davon überzeugt, dass der Falke ausgesandt worden war, um nach ihr zu suchen. Gewiss sollte er sie in die Hauptstadt rufen. Dass nicht Rihscha mit diesem Auftrag bedacht wurde, war für sie ein Zeichen, dass Alduin und seinem Falken etwas zugestoßen sein musste. Eine andere Erklärung gab es für sie nicht.
Sie lief schnellen Schrittes zurück zu ihrem
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