Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
Handwerkern gelungen, in liebevoller Kleinarbeit Türen und Fenster mit gemeißelten Ornamenten, galoppierenden Pferden oder traditionellen Wappen zu verzieren.
Süßlicher Geruch von Heu stieg Alduin in die Nase, als er in den Innenhof der Kaserne zu den Stallungen einbog. Doch auch hier war alles menschenleer. Unschlüssig machte er am Brunnen Halt, als das Geräusch eines Reisigbesens aus der Stallgasse zu ihm drang. Er ging ihm nach und atmete auf, als ihn die kühle Dämmerung des Stalles umfing.
»Jemand da?«, rief er, noch bevor seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. »Draußen vor dem Haupttor liegt ein verletzter Mann. Wir müssen ihn mit einer Trage in die Stadt bringen.«
Ein Knabe mit Besen in der Hand löste sich aus den Schatten.
»Am besten versuchst du es in der Haupthalle auf der anderen Seite des Hofs«, sagte er ungerührt. »Dort findest du vielleicht ein paar Soldaten.«
Alduin biss sich auf die Lippen. Verzweiflung und Verärgerung stiegen in ihm auf. Konnte es tatsächlich so schwierig sein, jemanden zu finden, der ihm helfen würde?
»Ein paar Soldaten? Wo sind sie denn alle?«
Der Junge zuckte nur mit den Schultern und fegte weiter. Alduin drehte sich abrupt um und rannte aus dem Stall. An der Tür der Haupthalle hielt er inne und klopfte an. Als niemand antwortete, entschied er für sich, dass ihm ein Notfall schließlich auch gewisse Sonderrechte einräumte, öffnete die schwere hölzerne Tür ohne weitere Umschweife und trat ein.
An einem großen Tisch in der Mitte des Raums saßen zwei Soldaten. Der eine schlief tief und fest mit dem Kopf auf der Tischplatte. Neben ihm lag eine leere Flasche, vergossener Rotwein schimmerte auf dem dunklen Holz. Der andere hatte sich mit schlaff zurückhängendem Kopf auf einem Stuhl ausgestreckt und schnarchte so laut, dass es sich wie ein fernes Donnergrollen anhörte. Beim Geruch des billigen, säuerlichen Weines drehte sich Alduin der Magen um.
»Entschuldigt mal«, setzte er mit kräftiger Stimme an und rüttelte den Schnarchenden, der - statt sich zu rühren - nur ein übel riechendes Grunzen ausprustete.
»Entschuldigt mal!«, wiederholte Alduin, diesmal erheblich lauter.
»Häh?« Der zweite Soldat sah schlaftrunken hoch.
»Ich brauche Hilfe«, sagte Alduin. »Dringend.« Mittlerweile gelang es ihm nur noch schwer, seine Verärgerung im Zaum zu halten.
Der Soldat setzte sich auf, zog verwundert die Augenbrauen hoch und gähnte lauthals. Dabei rieb er sich mit einer Hand den Bart, mit der anderen kratzte er sich den viel zu dicken Bauch.
»Jetzt gleich? Wobei denn? Wieso?«, fragte er unwillig und strich die Uniform glatt, als sei er sich plötzlich seines fragwürdigen Anblickes bewusst geworden, den er und sein Gefährte boten.
»Draußen im Emmerfeld liegt ein Mann, bewusstlos. Wir müssen ihn zur Apotheke bringen. Es ist ein Raide.«
»Aha!« Der Kataure verstummte kurz und kratzte sich wieder, diesmal am Rücken. »Wenn er ein Raide ist, solltest du ...«
»Bei allen Göttern von Nymath!«, schrie Alduin. Er war mit seiner Geduld am Ende. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Während wir hier reden, könnte er seinen letzten Atemzug gemacht haben. In der Falkenhalle habe ich keinen finden können. Eine Wäscherin hat mich hierher zu Euch geschickt.«
Der Soldat grinste unerwartet. »Ach die gute Marla«, meinte er, wobei das Funkeln in seinen Augen darauf schließen ließ, dass er sie mehr als nur gut kannte. »Allzeit hilfsbereit, unsere Marla.«
»Was ist nun, werdet Ihr mir helfen?«, fragte Alduin ungeduldig.
Der dickere von den beiden erhob sich, stützte sich schlaftrunken auf die Tischkante und nickte ernst. »Ferl heiß ich«, stellte er sich vor. »Bring mir Wasser, Junge. Draußen vor der Tür steht der Eimer.«
Alduin lief sofort zur Regentonne und kam mit dem randvoll gefüllten Eimer zurück. Der Kataure hob ihn an die Lippen und trank so gierig, dass es rechts und links aus seinem Bart troff. Den Rest goss er mit einem Schwall über seinen tief schlafenden Gefährten.
Während sie gemeinsam durch die Stadt eilten, musterte Alduin die Soldaten von der Seite. Obwohl Cardol - der Name des zweiten - so unsanft geweckt worden war, wirkte er doch recht gelassen. Trotz aller Müdigkeit war er schnell im Einsatz gewesen. In Windeseile hatten er und sein Saufkumpan die Überreste ihrer Mahlzeit weggeräumt, zwei weitere Soldaten aufgetrieben, die ihre Stellung bezogen, einige Heilmittel in einem
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