Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
Schulter und schüttelte sie sanft.
»Herr ... Herr ... was ist Euch widerfahren? Könnt Ihr mich hören?«
Der Mann rührte sich nicht.
In diesem Moment landete Rihscha neben Alduin und stieß einen schwermütigen Schrei aus. Zu seiner Überraschung versuchte der Unbekannte mit aller Kraft, seinen Kopf dem Falken zuzuwenden. Als er für einen kurzen Moment die Augen aufschlug, erkannte Alduin in seinem Blick so etwas wie eine flehende Bitte. Ein raues Husten - fast wie ein Bellen - entrang sich seiner Kehle, ehe er wieder kraftlos in sich zusammensackte. Abermals stieß Rihscha einen Schrei aus. Doch diesmal blieb er regungslos am Boden liegen. Die Anstrengung schien seine letzte Kraft gekostet zu haben.
Alduin zog den Falknerhandschuh aus, griff nach dem kleinen Wasserbeutel an seinem Gürtel und benetzte die aufgesprungenen Lippen des Mannes, legte dann zögernd zwei Finger an seinen Hals und fühlte durch die Schlagader einen schwachen, aber doch steten Puls. Wenigstens war noch Leben in ihm, wenngleich auch nicht mehr sehr viel.
Der junge Falkner musterte den Fremden ratlos. Er schätzte ihn auf rund einundzwanzig Winter. Seine Hautfarbe und sein Körperbau ließen darauf schließen, dass er Raide war.
Entschlossen stand Alduin auf und sah seinen Falken an. »Rihscha, ich gehe und hole Hilfe», sagte er. »Du bleibst hier und«, er stockte verunsichert, »... ich weiß auch nicht ... behalt ihn einfach im Auge!«
Sofort schwang sich der Falke dicht an das Gesicht des Liegenden heran und fixierte ihn mit eindringlichem Blick.
Alduin bahnte sich einen Weg zurück durch das Feld zur Straße und lief mit schnellen Schritten auf die Stadt zu. Wieder und wieder nahm er Verbindung mit seinem Falken auf, doch das Gesicht des Fremden blieb regungslos.
Er erreichte keuchend das Stadttor, nickte dem einsamen Onur- Wächter zu und rannte weiter zur Zitadelle in Richtung Falknerei. Die Falkenhalle wirkte verlassen.
»Meister Calborth!«, rief er laut. »Meister Calborth!« Der alte Falkenmeister antwortete nicht. Zu seiner Überraschung waren Halle und Brutkammer unbeaufsichtigt. Alduin lief zum Gebäude schräg gegenüber. Doch weder in der Küche noch im Speisesaal konnte er jemanden finden.
»Wo sie bloß alle stecken?«, raunte er.
In diesem Augenblick hörte er etwas aus der Wäschekammer und ging dem Geräusch nach. Eine stämmige Kataurin faltete Betttücher zusammen und räumte sie in den Schrank zurück. Sie bemerkte Alduin nicht, als er in die Tür stolperte.
»Könnt Ihr mir bitte sagen, wo Meister Calborth ist?«, fragte er.
Die Frau wirbelte herum. »Du meine Güte, hast mich fast zu Tode erschreckt!«, rief sie. »Hätte fast einen Herzanfall bekommen!« Sie holte tief Luft und schlug die Hände vor ihrer kräftigen Brust zusammen. »Ich dachte, außer mir wäre niemand hier! Die wenigen, die in der Stadt geblieben sind, flüchten vor der Hitze. Das Beste, was sie tun können.«
»Tut mir leid, dass ich Euch so erschreckt habe«, entschuldigte sich Alduin. »Aber es ist ein Notfall. Ich muss Meister Calborth finden!«
»Ein Notfall? Was meinst du damit?«
»Da ist ein Mann ... er braucht dringend Hilfe ... liegt draußen im Emmerfeld vor der Stadtmauer. Wo finde ich ein paar starke Männer und eine Trage? Wir müssen ihn so schnell wie möglich in die Stadt bringen!«
Die Wäscherin runzelte die Stirn. »Ein Mann sagst du? Im Feld?« Sie schüttelte den Kopf.
»Ja, doch!« Alduin trat von einem Bein auf das andere. »Er war bewusstlos, als ich ihn zurückgelassen habe.«
»Tja, keine Ahnung, wo der Meister ist.« Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht solltest du zu den Kasernen der Katauren am Osttor laufen und dort Hilfe holen?«
Alduin nickte. »Gute Idee!« Gerade wollte er wieder loslaufen, als ihm noch einfiel: »Wenn Ihr Meister Calborth seht, richtet ihm bitte aus, dass er hier auf uns warten soll? Ich bringe den Mann zur Apotheke.«
Die Wäscherin nickte. Alduin rannte aus der Tür und folgte der Straße durch Sanforans elegantere Viertel. Unterwegs nahm er noch einmal Verbindung mit Rihscha auf. Der Zustand des Mannes war unverändert. Die reglosen Gesichtszüge wirkten bleich wie ein Leinentuch, der Körper lag starr im niedergedrückten Emmer.
Alduin erreichte die Kaserne, ein beeindruckendes Bauwerk in der Nähe des östlichen Stadttors. Normalerweise waren die Siedlungen der Katauren aus Holz, doch hier in Sanforan wurde nur mit Stein gebaut. Dabei war es den
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