Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
die Stute zu und umkreisten sie in freudigen Schleifen.
Erilea! Erilea ist bei Rael!
Die Gefühle drohten Alduin zu überwältigen: Überraschung, Freudentaumel ... und dann doch ein unangenehmer, nagender Gedanke. Konnte das die Erklärung für Erileas Zurückhaltung sein? Hatte sie sich etwa Rael zugewendet? War er der Grund, weshalb sie in Sanforan nicht auf ihn gewartet, ihm nicht einmal eine Nachricht hinterlassen hatte? Alduin verspürte einen bitteren Geschmack im Mund, der aber gleich darauf von der freudigen Erregung vertrieben wurde, die er in Raels und Erileas Gesichtern las. Sie waren so glücklich über Rihschas Anblick! Und auch er konnte es nicht fassen, die beiden zu sehen. Was auch immer zwischen ihnen sein mochte. Sie waren seine Freunde, und nur das zählte.
»Rihscha! Wo ist Alduin?«, rief Erilea. »Wir sind krank vor Sorge um ihn. Zeig uns, wo er steckt!«
Ohne zu zögern, machte Rihscha eine Kehrtwende und flog zurück zu Alduins Rastplatz. Die Reiter folgten ihm.
Alduin brach die Verbindung mit Rihscha ab und überlegte, wie er sich verhalten sollte. Natürlich konnte er ihnen entgegenlaufen, doch unwillkürlich und trotz aller Vorfreude übermannte ihn die Erschöpfung. Er schloss die Augen, und bevor er sich versah, war er eingeschlafen.
»Ist das zu fassen! Da liegt er und schläft!«
Raels Worte rissen Alduin aus seinem Schlummer. Erilea hechtete regelrecht aus dem Sattel, hockte sich neben ihn und warf ihm die Arme um den Hals.
»Oh Alduin, wo bist du nur gewesen? Was ist geschehen?«
Alduin erwiderte ihre Umarmung und drückte sie, so fest er konnte. Sie fühlte sich gut an.
Nach einer Weile löste er sich sanft von ihr, setzte sich auf und beobachtete Rael. Zu seiner Freude erkannte er ein Lächeln in seinem Gesicht. In diesem Moment wusste er, dass er sich getäuscht hatte.
»Was für eine Begrüßung!«, rief er. »Ich glaube, ich muss öfter mal eine Zeit lang verschwinden.«
»Untersteh dich!«, schrie Erilea und hieb ihm mit der Faust vor die Brust. »Sonst ... sonst ...!«
Alle drei lachten. Es war ein unbeschwertes Lachen, das über die Ebene hallte und all ihre aufgestauten Ängste zerstreute. Rihscha und Sivella tänzelten durch die Luft, stiegen auf und ließen sich gleiten, stimmten mit ihren Rufen in das ausgelassene Gejohle mit ein.
Rael hatte einen Hasen gejagt. Nach dem Essen saßen die drei gesättigt um das Feuer, das zu verglimmen drohte, schürten die Glut und erzählten einander ihre Geschichte. »Und, was machen wir jetzt?«, fragte Erilea.
Langsam begann sich der Himmel zu verfinstern. Die Sterne funkelten, und die beiden Monde von Nymath, der silber- und der kupferfarbene - gingen auf wie mächtige Segel, die durch die Nacht glitten. Mittlerweile waren die Freunde in jeder Hinsicht zuversichtlich. Die Zukunft lag vor ihnen und konnte sie in eine Vielzahl von Richtungen führen. Es lag an ihnen zu wählen.
»Wir müssen Aranthia und Meister Calborth eine Botschaft senden«, sagte Alduin. »Besser, wir machen uns auf den Weg nach Sanforan! Wenn Cal wirklich vor ihren Augen altert, muss ich wissen, wie es ihm jetzt geht.«
»Und was dann?«, erkundigte sich Rael.
»Ich habe euch doch von dem Traum erzählt ...«, setzte Alduin an. »Eigentlich bin ich ziemlich sicher, dass es nicht nur ein Traum war, auch keine Vision, wie ich sie bisher kannte. Diesmal schien es mir, als wäre ich eins mit Krath, aber gleichzeitig mit meinem Vater, selbst wenn er nicht in Verbindung mit Krath stand. Es war, als schlüpfte ich in seine Schuhe. Im wahrsten Sinn des Wortes!«
»Und was willst du damit sagen?«, fragte Rael.
»Ich will damit sagen, dass ich vermute, was ihm widerfahren ist, nachdem er die Hütte verließ, nach Lemrik ging und dann weiter nach Thel Gan wanderte.«
»Und danach?«, fragte Rael.
»Danach? Daran kann ich mich nicht erinnern. Dafür habe ich aber gespürt, was ihn bewegte und was er fühlte. Es drehte sich alles um Kraths Sterblichkeit oder darum, dass er vor dem Tag Angst hatte, an dem Krath sterben würde. Du kannst dir bestimmt vorstellen, was ich meine.«
Rael nickte. Kein Falkner will gerne daran denken.
»Und Aranthia glaubt, dass Cal deshalb nicht gealtert ist, weil er immer noch in Verbindung mit Krath stand?«, hakte Erilea nach.
»Natürlich kann sie es nicht mit Sicherheit sagen, aber sie hat etwas in dieser Richtung angedeutet«, gab Rael zurück. »Sie denkt, dass die Verbindung mittlerweile abgebrochen ist. Das
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