Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
gerettet hat. Aber all das, was ich mit ihm erlebt habe, war so seltsam. Es scheint mir fast so, als wäre er mir von Anfang an von Emo geschickt worden.«
»Das ist gar nicht so abwegig«, meinte Alduin nachdenklich. »Wir waren beide ... Ich weiß nicht ... Ich meine, du warst zur gleichen Zeit auf der Suche nach einer Erklärung für das, was uns widerfahren war. Auch ich habe ganz Außergewöhnliches durchlebt. Da gab es Tage, da wusste ich nicht einmal, wer ich war. Ich fand Rihscha, und er gab mir meinen Namen. Aber das war auch alles, was ich hatte. Ich konnte mich an nichts von meiner Vergangenheit erinnern.
»Ich bin nur froh, dass du dich jetzt wieder erinnern kannst«, sagte Erilea und legte ihre Hand auf seinen Arm.
»Ich auch«, gab er zurück. »Ich auch.«
Eine Weile schwiegen die beiden gedankenverloren. Dann setzte Alduin wieder an. »Ich weiß auch nicht ... irgendwie bin ich gerettet worden ... von etwas, das durchaus auch eine Vision gewesen sein könnte. Obwohl sie mir zu dem Zeitpunkt mehr als echt vorkam.«
»Glaubst du, das alles hat etwas zu bedeuten?«, fragte Erilea.
»Das wissen nur die Götter«, erwiderte Alduin. »Doch eins ist mir klar geworden. Mich hat die Erfahrung verändert.«
»Mich auch«, pflichtete sie ihm bei. »Obwohl es schwer zu glauben ist, wenn man sieht, wie ich mich benehme, seit ich mein Parna abgeschlossen habe.«
Alduin zog sie an sich. »Sei nicht so streng zu dir selbst. Die Umstände waren doch immerhin sehr ungewöhnlich.«
»Aber ich wünschte, ich könnte so ruhig und gelassen sein wie die Elben. Da gab es ein paar Momente während meines Parna . Ich glaubte zu spüren, wie es sein könnte. Ich weiß nicht, wie sie es machen. Sie scheinen so intensiv zu leben, aber gleichzeitig auch so losgelöst und entspannt.«
»Das kommt uns wahrscheinlich nur so vor. Soweit ich mich erinnere, waren alle, die uns begegneten, doch schon recht alt. Sie können sich an jedem neuen Tag erfreuen, obwohl sie schon alles erlebt haben. Eine eigenartige Mischung.«
»Glaubst du, wir begegnen Elben, wenn wir durch den Wald reiten?«, fragte Erilea.
»Ich weiß nicht«, gab Alduin zurück. »Über ihr Leben in den Wäldern weiß ich nichts, bis auf ein paar Bemerkungen von Melethiell. Sie lassen uns ganz sicher hierdurch reiten. Aber sie ziehen es vor, unter sich zu bleiben, eben unsichtbar. Wenn sie uns nicht sehen wollen, dann sehen sie uns eben nicht.«
Die beiden verbrachten die Nacht unter dem Blätterdach der ersten Bäume des Waldrandes, an dem sie in den letzten Abendstunden entlanggeritten waren. Viele Wegstunden weiter nördlich würden sie den Elbenwald erreichen.
Vor dem Aufbruch am nächsten Morgen wollte Alduin Rihscha mit einer Botschaft zu Bardelph aussenden. Rael hatte ihm das nötige Schreibzeug mitgegeben: kleine, längliche Stücke weichen Pergaments und einen feinen Stift Schreibkohle. Er überlegte, wie er am besten übermitteln könnte, dass er gesund und wohlauf ist. Er entschied sich für die Rune Uruz , die für vitale, männliche Urkraft und Gesundheit steht. Sorgsam zeichnete er sie mit großen, kräftigen Strichen. Sie sah aus wie ein Türrahmen mit einem schrägen Sturz. Daneben - aber etwas kleiner - setzte er drei weitere Runen, die Näheres aussagen sollten: Raido, Opalan und Laguz - »bin von meiner Heimat am Wasser weggezogen«. Schließlich rollte er das kleine Pergament ein, hielt es mit einem dünnen Streifen Tierdarm zusammen und band es an Rihschas Klauen.
»Das sollte fürs Erste reichen«, sagte er zufrieden und warf einen Blick zu Erilea, die Fea Lome tränkte. »Das wird ihm sicher tausend Fragen aufgeben, aber zumindest weiß er, dass es mir gut geht.«
Alduin ließ Rihscha fliegen und nahm dann gleich Verbindung mit ihm auf.
Folge dem Fluss stromaufwärts. Fliege zu den Stromschnellen, und halte den Blick auf das rechte Ufer gerichtet. Dann wirst du die Hütte nicht verfehlen.
Er blieb noch bei Rihscha, bis der Falke den Fluss erreicht hatte. Dann brach er die Verbindung wieder ab.
»Bis zum frühen Nachmittag dürfte er zurück sein«, sagte er zu Erilea, die ihn schweigend beobachtet hatte. Lächelnd nickte sie.
»Lass uns aufbrechen.«
Am späten Vormittag eröffnete sich vor ihnen ein weiter Landstrich zwischen den Wäldern und dem Fluss. Er verjüngte sich und stieg dort steil an, wo das Wasser eine Schlucht in den Hügel geschnitten hatte. Erst eine Weile später wurde ihnen klar, weshalb die Baumreihe noch
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