Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
wollen, und nickte.
»Ich habe gerade mein Parna abgeschlossen«, begann sie.
»Dein was?«, fragte er verdutzt.
»Mein Parna . Das ist eine alte Tradition, die immer noch von einigen Wunand-Stämmen aufrechterhalten wird. So eine Art der Selbstfindung: eine Zeit des Alleinseins, um etwas über sich selbst und seinen Platz in der Welt herauszufinden. Ich wollte eigentlich nach Hause zurück, aber das dürfte sich nun wohl ändern. Richtig?«
»Vielleicht. Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass ...«
»... Alduin etwas zugestoßen ist«, fiel sie ihm ins Wort.
»Scheinbar. Er ist verschwunden.«
»Wann? Was ist geschehen? Ich habe ihn seit Anfang des Frühlings nicht mehr gesehen. Aber so lange kann er doch nicht weg sein, oder? Das hätte ich bestimmt erfahren.«
»Nein, nein. Er hat Aranthia und Bardelph erst vor Kurzem in der Hütte besucht. Er blieb dort und musste sich um Cardol kümmern. Und dann, so vermutete Cardol, muss er in den Fluss gesprungen sein. Er fand seine Kleider am Ufer. Und von Rihscha auch keine Spur. Cal wurde gefunden - ohne seinen Falken Krath, und ...«
»Rael, wer ist Cardol ... und mit Cal meinst du doch wohl nicht etwa Alduins Vater, oder?«
»Tut mir leid, ich fange besser ganz von vorne an«, meinte Rael. »Aber es ist eine lange Geschichte, also setzen wir uns am besten für einen Moment.«
Rael nahm Fea Lome Zaumzeug und Sattel ab und ließ sie grasen. Dann legte er die schwere Satteldecke auf den Boden unter dem Purkabaum und lud Erilea ein, sich neben ihn daraufzusetzen.
Als er mit seinem Bericht endete, hatte die Sonne ihren Höchststand längst überschritten.
»Es schien alles so hoffnungslos, bis Sivella dich hier draußen gefunden hat. Danach wollte ich mich unbedingt auf die Suche nach dir machen. Vielleicht gelingt es uns gemeinsam, Alduin zu finden.«
»Bestimmt. Ich hätte dir nie verziehen, wenn du mich aus dieser Sache herausgehalten hättest«, sagte Erilea. »Ich bin sicher, Alduin ist am Leben und auch Rihscha.«
»Aber wenn Alduin noch lebt, warum hat er Rihscha dann nicht mit einer Botschaft zu uns geschickt?«, fragte Rael.
Es gab nur eine Erklärung auf diese Frage, und sie legte Schatten tiefer Sorge in Erileas Blick.
»Alduin muss verletzt sein - vielleicht sogar sehr schwer. Er muss irgendwo allein oder bewusstlos sein. Rihscha kann ihn nicht verlassen. Deshalb ist er nicht zur Falkenhalle zurückgekehrt oder zumindest zu Alduins Hütte. Rihscha ist schlau! Wir müssen ihn finden. Wo hast du schon nach ihm gesucht?«
»Sivella ist beide Ufer des Flusses viele Wegstunden weit abgeflogen.«
»Aber vielleicht nicht weit genug flussabwärts«, meinte Erilea.
»Ich war unten an der Stelle, wo die Fähre über den Fluss setzt«, berichtete Rael. »Es ist sehr unwahrscheinlich, dass er dort vorbeigetrieben ist, ohne sich in den Seilen zu verfangen, ganz gleich, in welchem Zustand er auch war.«
»Vielleicht hat ihn Sivella einfach übersehen. Es könnte Tausende Gründe geben. An den Flussufern gibt es wahrscheinlich unzählige Stellen, wo er hätte stranden können.«
Die Vorstellung, dass Alduin bewusstlos an einem Ort lag, der sich in ein schlammiges Grab verwandeln konnte, war mehr, als Erilea ertragen konnte.
»Wir müssen nach Norden. Dort hat man ihn zuletzt gesehen. Wir können nach Orten am Fluss Ausschau halten. In der Umgebung muss es kleine Siedlungen geben. Vielleicht hat ihn jemand gefunden«, überlegte sie.
»Ich habe mit Sivella die Stromschnellen ein Stück unterhalb der Hütte abgesucht«, sagte Rael, der ihrem Gedankengang folgte. »Bei unserem ersten Suchflug habe ich zwar nichts entdeckt, doch wenn Alduin in Schwierigkeiten geraten ist, könnte er sich irgendwo in der Nähe aufhalten.«
»Dann lass uns aufbrechen«, schlug Erilea vor und sprang auf. »Kann die Stute uns beide tragen?«
»Ich denke, du bist klein genug«, sagte Rael.
Erilea funkelte ihn drohend an.
»Klein, aber ...!«
»Ach, das hab ich nicht so gemeint!«
Erileas Züge wurden sanfter. »Sieh mich bloß an. All die Tage in Einsamkeit, die ich gefastet habe, in mich gegangen bin, und ich brause immer noch bei der kleinsten Anspielung auf wie eine Arekkatze.«
»Ich hab doch auf gar nichts angespielt!«
»Ich weiß. Tut mir leid.«
Erinnerungen an Elin wurden in ihr wach. »Während wir reiten, erzähle ich dir von meinen Abenteuern. In den letzten Tagen sind mir einige merkwürdige Dinge widerfahren«, sagte sie.
»Ja«, antwortete Rael. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher