Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
Baumwurzeln, Ästen und Sträuchern endete. Erilea schob mühsam das Blattwerk beiseite. Zu ihrer Überraschung hatten sie dann endlich freien Blick auf einen sternenübersäten Himmel. Sie sogen tief die süße Nachtluft ein.
»Weißt du, wo wir hier sind?«, fragte Erilea, streckte sich erleichtert und gähnte laut.
»Ich möchte wetten, dieser Bach wird irgendwann zu einem Fluss, dem Fluss, wo sich Cardol verletzt hatte, ganz in der Nähe von unserer Hütte«, antwortete Alduin. »Ich weiß zwar nicht, wo genau wir flussaufwärts sind. Kann aber gut sein, dass Wendle recht hat. Dann haben wir nur noch einen Tagesritt bis Lemrik. Das hat uns eine Menge Zeit gespart.«
»Ich bin völlig erschöpft«, sagte Erilea und gähnte noch einmal. »Und hungrig!«
Alduin nickte. »Lass uns einen Platz für die Nacht suchen«, schlug er vor und kletterte mit Fea Lome und Erilea im Schlepptau die Böschung hinauf.
Von oben sahen sie, dass der Höhleneingang wohlgeschützt hinter einer Reihe großer Steine verborgen lag. Der Boden zwischen den grauen Felsbrocken war von Moos überdeckt. Doch sosehr sie auch suchten, sie fanden keinen Pfad, der sie weiterführen würde. Alduin und Erilea suchten ringsum aufs Geratewohl, und es dauerte nicht lange, bis sie ganz unerwartet eine kleine Lichtung entdeckten - wie geschaffen für ein Nachtlager. Die großen Felsen boten rundum Schutz von allen Seiten, und das weiche Gras war einem Teppich gleich.
Erilea ließ sich ins Gras fallen. »Wundervoll! Das ist ideal. Gibst du mir die Satteltasche? Ich will sehen, was Wendle uns eingepackt hat.«
Alduin reichte ihr das Bündel mit Proviant, sattelte Fea Lome ab und ließ sie grasen. Er breitete eine Decke neben Erilea aus. »Geräucherten Brillit, getrocknete Wurzeln, etwas Obst und Käse«, rief sie und rutschte auf dem Hosenboden weiter, bis sie bei Alduin angekommen war, um ihm die Leckereien demonstrativ vor die Nase zu halten. »Zu schade, dass sie uns keinen Wein mitgegeben hat, aber immerhin ist der Wasserbeutel noch halb voll.«
»Besser könnte es nicht sein«, strahlte Alduin. »Wir sitzen hier wie in einem Festsaal unter den Sternen, haben ausreichend zu essen und nichts, worüber wir uns beklagen könnten!«
Die beiden lachten sich an und fingen an zu essen.
»Was werden wir tun, wenn wir in Lemrik eintreffen?«, wollte Erilea später von Alduin wissen, nachdem sie fertig gegessen und die Reste wieder eingepackt hatten.
Alduin schloss die Augen für einen kurzen Moment. Seine Vision von der Schenke, die sein Vater vor so vielen Jahren in dem Dorf besucht hatte, haftete noch so lebhaft in seinem Gedächtnis.
»Ich glaube nicht, dass wir dort oder auch in Thel Gan viel herausfinden werden. Eher wohl in Sean Ferll. Dorthin wollte Cal.«
»Also reisen wir einfach weiter, so schnell wir vorankommen?«
»Ja, und wir sollten uns beeilen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass uns die Zeit davonläuft. Aber Bardelph sollten wir trotzdem besuchen.«
»Stimmt - aber erst mal wird geschlafen«, entschied Erilea, gähnte wieder und rollte sich in das eine Ende der Decke ein.
Das frühmorgendliche Zwitschern der Vögel weckte Alduin aus einem tiefen Schlummer. Erilea hatte sich an ihn geschmiegt und schlief noch tief. Er küsste sie auf die Stirn und nahm Verbindung mit Rihscha auf.
... eine Explosion weißen Lichts, so hell, dass es blendete ... ein Sonnenstrahl, der die Finsternis mit durchdringt ... ein Kristallpfeil, der im eisigen Odem der Götter emporschnellt ... ein einziger Ton, erfüllt von tausend Wohlklängen, verwoben zu einer Sinfonie von Melodien, die durch die Schöpfung hervorbrechen und allem Gestalt verleihen ... ein frohgemutes Gebet, erfüllt von Dankbarkeit ... eine Stimme, so laut, dass sie im ganzen Universum erschallt, gleichzeitig so sanft, dass sie das Innerste jedes Wesens berührt ... im Glück vereinte Naturen, die sich niemals wieder einsam fühlen müssen ...
Alduin schnappte nach Luft und richtete sich auf. Erilea war wach. Sie kniete neben ihm, sah ihn besorgt an und streckte ihre Hand nach ihm aus, wagte aber nicht, ihn zu berühren.
»Was ist geschehen?«, flüsterte sie.
Alduin schüttelte den Kopf, als wolle er seine Gedanken ordnen, und versuchte in Worte zu fassen, was er soeben erlebt hatte.
»Es ... es war ... Ich kann es nicht erklären. Es fühlte sich an, als hätte ich diese Welt verlassen ... nur ... eigentlich war ich es nicht ...«, sagte er.
Er stand auf, lief hin
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