Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
gerade!«
Während sie alles zusammengesucht hatte und zur Anlegestelle lief, führte Alduin Fea Lome zur Wiese hinter die Hütte. Er sattelte sie ab und wusch ihren Rücken mit Regenwasser. Als er fertig war, ließ er sie grasen und ging ins Haus zurück, um ein Feuer anzuzünden. Als er Erilea hereinkommen sah, drehte er sich zu ihr um. Sie trug eine Tunika seiner Mutter. Das Sonnenlicht in der offenen Tür umspielte sie. Den Gürtel hatte sie um die Taille gebunden, trotzdem schleifte der Saum auf dem Boden. Mit beiden Händen musste sie den Stoff anheben, um nicht darüberzustolpern. Ihr feuchtes Haar hing in langen schwarzen Locken herab. Sie sah so hinreißend aus, dass er das Gefühl hatte, sein Herz würde taumeln. Scheue Stille breitete sich zwischen ihnen aus.
Alduin räusperte sich und begann, mit hektischen Bewegungen im Feuer herumzustochern, sehr darauf bedacht, seine innere Verlegenheit zu überspielen. Bislang waren sie Gefährten in einem gemeinsamen Abenteuer. Erilea hatte die langen Tage tapfer im Sattel gesessen, ohne zu klagen. Trotz ihrer geringen Körpergröße war sie doch aus hartem Holz geschnitzt. Aber hier in der heimeligen Umgebung der Hütte wirkte sie nicht mehr wie die unbezähmbare Kämpferin. Sie wirkte zerbrechlich.
Alduin sprang auf. »Ich gehe mich auch mal waschen. Das Feuer ist angezündet. Wenn du willst, setze ein Kanne Calba auf.«
Erilea ging einen Schritt zur Seite und ließ ihn vorbeigehen. Sie sah ihm noch eine Weile nach, bis er hinter der Lichtung verschwand. Sie lächelte in sich hinein, warf dann den Kopf in den Nacken und fing an, die Schränke nach einer Kanne, nach Bechern und etwas Essbarem zu durchstöbern.
Als Alduin am Fluss ankam, hatte er seine Gefühle wieder unter Kontrolle. Er holte tief Luft und warf einen Blick auf das Wasser. Als er dicht am Landesteg stand, kehrte im gleichen Moment die Erinnerung an das zurück, was ihm vor vielen Tagen widerfahren war, als das tosende Wasser von ihm Besitz ergriff. Er rief sich noch einmal die überwältigende Verbindung zwischen Cal und Krath ins Gedächtnis. Damit hatte das eigentliche Abenteuer begonnen. Jede der folgenden Visionen schien eine Fortsetzung dieser ersten zu sein. Der Höhepunkt, den er heute Morgen erlebt hatte, übertraf jedoch alles.
Die Erinnerung daran half ihm, alle anderen Gedanken zu verdrängen. Jetzt hatte er nur noch ein Ziel vor Augen: Er musste so schnell wie möglich herausfinden, was Cal widerfahren war. Er musste ihm helfen.
Er lief zum Haus zurück, und sein Kopf war klar.
»Ich habe ein Glas mit getrocknetem Gemüse gefunden«, rief ihm Erilea entgegen. »Ich mache uns eine Gemüsebrühe mit Wurst und angebratenen Zwiebeln!«
»Brauchst du frische Kräuter dazu?«, fragte er.
»Warum nicht? Bring mit, was du findest!«
Sie hatten das Essen zubereitet und setzten sich mit ihren Tellern auf die kleine Terrasse vor dem Haus in die Sonne.
»Wir sollten besser noch unsere Reisekleidung waschen«, schlug Erilea vor.
»... und sehen, womit wir uns sonst noch eindecken können. Vielleicht finde ich sogar ein Jagdmesser ...«, meinte Alduin. »Ich kann auch noch ein paar Pfeile schnitzen.«
»Was denkst du, wann wollen wir wieder aufbrechen?«, fragte Erilea.
Alduin zögerte noch einen Moment mit der Antwort. Seine Züge wurden ernst, als er sich die bevorstehenden Tage ausmalte. Schließlich sagte er: »Es wäre vielleicht ganz gut, wenn wir noch heute unsere Vorbereitungen treffen und beim ersten Tageslicht losreiten. So könnten wir es bis Thel Gan morgen noch schaffen.«
Erilea nickte. Sie war erleichtert und froh über Alduins Entscheidung. Es fühlte sich an, als gönnten sie sich noch einen Augenblick außerhalb der Zeit, ein paar kurze Kapitel in einer anderen Geschichte, eine Atempause, bevor sie sich in das große Abenteuer stürzten.
11
Als Jad, Rael und Triel Sanforan das Westtor erreichten, verstummte der sonst so redselige Junge und bestaunte ehrfürchtig, was sich ihm eröffnete. Auch wenn dieser Zugang längst nicht so beeindruckend war wie der Haupteingang an der Nordseite der Stadt, so gab er doch den Blick frei auf einen belebten, farbenfrohen Platz mit Menschen unterschiedlichster Herkunft. Der Kontrast zu dem verträumten Dorf, in dem er aufgewachsen war, hätte kaum größer sein können. Triel gingen die Augen über.
Jad hatte vor, die Marktstraße entlangzufahren, daher kletterten Rael und Triel vom Wagen herunter und bereiteten sich auf
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