Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
davonlaufen.
»Triel! Halt! Komm zurück!«
Rael preschte los und verfolgte Triel, der ein kurzes Stück vor ihm durch das Tor der Zitadelle huschte und weiterrannte. Doch als er bei dem Bogeneingang ankam, war er nicht mehr zu sehen. Sofort nahm Rael Verbindung mit Sivella auf.
Sivella, wir suchen nach Triel...!
Der Falke erhob sich in die Lüfte, und Rael sah durch ihre Augen die Straßen und Gassen unter sich vorüberziehen. Obwohl nur wenige Menschen in diesem Teil Sanforans auf den Beinen waren, konnte er keinen kleinen, rennenden Jungen entdecken.
Der Hafen ...
Sivella wechselte den Kurs und flog in Richtung der Fischerhütten, die den steilen Hang an Sanforans Meeresseite säumten. Endlich erkannte er eine winzige Gestalt, die eine enge Gasse hinablief. Doch bog er nicht zum Hafen hinunter ab, sondern rannte geradeaus weiter.
»Der Aussichtspunkt«, rief Rael und stürmte los.
Triel steuerte auf den Hang zu, aber Rael wusste, dass er dort nicht weiterkommen würde. Zu bestimmten Zeiten konnte man vom Hang aus zu den Stränden hinabklettern. Zu dieser Tageszeit jedoch würde ihm die Flut den Fluchtweg versperren.
Sivella, beobachte ihn. Lass ihn nicht zu nah an den Abgrund ...
Kurze Zeit später hatte Rael die grob gehauenen Steinstufen zum Aussichtspunkt erreicht und nahm immer zwei auf einmal. Als er oben angekommen war, stieß er um ein Haar mit Triel zusammen, während Sivella hinter den beiden wild hin- und herflatterte, um den Weg zu versperren.
Rael fing den Jungen gerade noch ab, als er an ihm vorbeihuschen wollte.
»Triel, hör auf damit. Das ist kein Spaß!«, sagte Rael und versuchte, seiner Stimme einen strengen Klang zu verleihen. Auch wenn er das Verhalten des Jungen verstehen konnte, mahnte er ihn: »So benimmt sich kein zukünftiger Falkner!«
»Ich habe gehört, was der Meister gesagt hat!«, brach es aus Triel heraus. »Mein Großvater ist tot, mein Onkel verschwunden, und Ihr habt mir ja bereits gesagt, dass Ihr mich so oder so nach Hause schicken werdet«, sagte er atemlos.
»Ich habe dir aber auch gesagt, dass ich alles tun werde, was ich kann, dass ich dir helfe, ein Falkner zu werden.«
»Ich kenne meine Mutter! Sie wird es nicht zulassen!« Triel war den Tränen nahe.
»Sei dir da mal nicht so sicher. Warum, glaubst du wohl, hat sie Sivella das Armband mitgegeben?«
»Warum glaubt Ihr, sie hat es mir geschickt?«, fragte Triel zurück.
Einen Augenblick lang blickte Rael verdutzt drein und fragte sich, was wohl im Kopf des Jungen vor sich gehen musste.
»Ich bin sicher, es war für dich bestimmt«, antwortete er, und seine Worte sollten nicht nur Triel, sondern auch ihn selbst überzeugen. »Gewiss wollte sie dir damit zeigen, dass sie deinen sehnsüchtigen Wunsch versteht.«
»Warum kann ich dann nicht hierbleiben? Könnte mich in der Falkenhalle nützlich machen, könnte Käfige putzen, die Böden schrubben, was eben so anfällt.«
»Dafür haben wir die Falknerlehrlinge!«, entgegnete Rael. »Die Ausbildung besteht nicht nur aus Spaß und Spiel.«
»Na ja, dann könnte ich doch in der Küche arbeiten oder sonst wo ... Ich ...«
Als der Junge sah, dass Rael unnachgiebig den Kopf schüttelte, verstummte er.
»Zuerst musst du nach Hause. Sieh es mal so: Die Erfahrungen, die deine Mutter vor Jahren mit Falknern gemacht hat, waren nicht gut. Zeig ihr, dass du dich anders verhältst. Zeig ihr, dass du stark bist!«
Triel kämpfte immer noch mit den Tränen, und erst nach einer guten Weile beruhigte er sich wieder. Einen hoffnungsvollen Blick auf Rael gerichtet, sagte er: »Und wenn ich zurückkehre, vergesst ihr mich auch nicht? Ich brauche doch einen Fürsprecher.«
»Wie könnte ich einen Wirbelwind wie dich je vergessen!«, rief Rael. »Und Meister Calborth wird dich bestimmt auch in Erinnerung behalten. Außerdem bricht Jad erst auf, wenn er seine Geschäfte hier erledigt hat. So bleibt mir noch reichlich Zeit, dir die Falkenhalle zu zeigen und einen Großteil der Stadt. Wir können sogar ein offizielles Gesuch einreichen, dass man dich als Lehrling aufnimmt, sobald du zwölf geworden bist.«
Mit jedem Wort, das Rael sprach, hellte sich Triels Miene mehr auf. Und schließlich schoben sich beide Mundwinkel bis an die Ohren.
»Und bis dahin wird mein Vater viel Geld haben, und ich werde ein wohlhabender Lehrling sein!«
Alduin und Erilea verließen wie geplant die Hütte bei Tagesanbruch und kamen gut voran. Für Fea Lome war es keine Mühe, die beiden
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