Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
zusammengestellt, die Holzmöbel auf Hochglanz poliert und der Fußboden sauber gescheuert. Drei Männer saßen an einem großen, rechteckigen Tisch neben einer offenen Feuerstelle. Hinter einer Theke auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes schenkte eine zierliche Frau Calba ein. Als Alduin und Erilea eintraten, sahen die Männer am Tisch überrascht zu ihnen auf. Offenbar war fremder Besuch hier ausgesprochen selten. Zu Erileas Enttäuschung war der Falkner, dem sie gefolgt war, nicht unter ihnen. Nachdem die Herbergswirtin den Männern den Calba serviert hatte, ging sie zu den Neuankömmlingen hinüber.
»Kann ich Euch helfen?«, fragte sie.
»Wir brauchen einen Platz zum Schlafen für heute Nacht«, antwortete Alduin.
Die Frau zögerte einen kurzen Moment, ehe sie antwortete.
»Ihr seid Falkner«, stellte sie fest. »Mit einem lebendigen Falken, wie ich vermute.«
Alduin nickte.
»Ist das ein Problem?«
Die Frau spähte zu den anderen Gästen, die die beiden Ankömmlinge anstarrten. In ihren Gesichtern spiegelte sich eine Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung wider. Sie wandte sich wieder Alduin zu und zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß es nicht. Es ist nur sehr selten. Die meisten Raiden, die hierherkommen, haben ihre Falken verloren. Sie kommen hierher mit einer Hoffnung, die nie erfüllt werden kann.«
»Und welche Hoffnung ist das?«, wollte Alduin wissen.
»Die Hoffnung, dass an einem Gerücht etwas dran ist. Das ist es aber nicht«, sagte sie entschieden, bevor sie das Thema wechselte. »Bedauerlicherweise gibt es nur zwei Schlafzimmer, jedes mit sechs Betten. Ein paar sind noch frei, aber im Augenblick wohnen in den Zimmern nur Männer«, erklärte sie, dann warf sie Erilea einen flüchtigen Blick zu. »Allerdings habe ich in der Küche eine Pritsche, wenn ihr darauf schlafen wollt?«
»Hört sich an, als kämen wir damit schon zurecht. Es ist ja nur für eine Nacht. Wir sind auf der Durchreise«, erklärte Alduin.
»Möchtet Ihr etwas zu essen?«
»Nicht für mich«, antwortete Erilea, und auch Alduin schüttelte den Kopf. »Aber etwas Calba wäre gut.«
»Lasst Eure Sachen hier und setzt Euch. Ich bin gleich wieder zurück.«
Die beiden wurden immer noch von den Männern angestarrt, als sie sich an das gegenüberliegende Ende des Tisches setzten. Nur mit Mühe lösten sich nach einer Weile ihre Blicke. »Hast du den Ausdruck in ihren Augen gesehen?«, flüsterte Alduin. »Es ist, als lebten sie in der Vergangenheit und wären immer noch mit ihren Falken verbunden.«
»Sie wirken so traurig«, gab Erilea ebenso leise zurück.« Genau wie der Falkner, dem ich hierher gefolgt bin. Ich frage mich, wo er nur geblieben ist.« Sie sah sich um. »Wenn Cal demselben Gerücht nachgejagt war wie sie hier alle, was ist denn dann geschehen, dass es ihm anders als denen erging? Nach allem, was du mir erzählt hast, scheint er etwas gefunden zu haben - ganz im Gegensatz zu den Männern hier.«
»Aber der Unterschied ist doch klar«, rief Alduin und hatte Mühe, seine Stimme zu senken. »Krath war zu der Zeit noch am Leben. Die Wirtin sagte, dass die meisten Raiden die hierherkommen, ihre Falken bereits verloren haben. Dennoch glauben sie, es gibt einen Ort, an dem ihre Falken zurück ins Leben geholt werden können.«
»Also das heißt, sie konnten ihn nie finden?«, sagte Erilea und griff den Gedanken auf. »Aber Cal war in der Lage dazu, weil Krath noch lebte.«
»So etwa könnte es sein«, bestätigte Alduin. »Ich frage mich, ob Cal der Einzige war oder ob es auch anderen gelungen ist ...?«
»Aber wären mehr Falkner verschwunden, hätte man in Sanforan doch gewiss davon erfahren.«
»Nicht unbedingt! Wenn es nur wenige gewesen waren«, entgegnete Alduin. »Falkner reisen kreuz und quer durch Nymath. Niemand würde auf sie achten, kaum einer würde sie vermissen. Manche lassen sich vielleicht häuslich nieder, aber viele sind Wanderer und haben erst Familien, wenn ihre Falken verstorben sind.«
»Aber Cal hatte Aranthia«, sagte Erilea. »Warum sollte er sie verlassen haben?«
Alduin schloss die Augen und rief sich noch einmal die Vision ins Gedächtnis. Wieder sah er seinen Vater vor sich, wie er die Hütte in Richtung Lemrik verließ.
»Er hatte nicht vor, sie zu verlassen«, sagte er langsam. »Vielleicht ist er nur in etwas hineingeraten. Ich hatte den Eindruck, dass seine Bindung zu Krath etwas ganz Besonderes war. Wenn er an einen Weg geglaubt hatte, ihre gemeinsame Zeit zu
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