Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
du willst, hatte mein Großvater lakonisch gesagt – so lakonisch, wie er einst mein Todesurteil mit seinem Ring gesiegelt hatte, um mich in die Pestgrube werfen zu lassen.
»Ich hab’s euch doch gesagt«, sagte Nehemiah. »Er arbeitet für Lord S… Stonehouse . Vertraut ihm nicht!«
Joyce fragte: »Wo bekommt Ihr die Pferde her?«
»Aus Gasthäusern. Er hat überall im Land Leute.«
»Sie gehören zu seinem Netz von Spionen«, sagte Nehemiah. »Wir kennen sie.«
Joyce blickte zur Sonne, dann auf die Steine, deren Schatten immer länger wurden. »Wir müssen aufbrechen. In die eine oder andere Richtung. Lasst uns abstimmen.«
» Abstimmen? «, fragte ich ungläubig.
»Jeder hat eine Stimme«, sagte Joyce, als sei es die natürlichste Sache der Welt. Er hob eine Hand. »Ich stimme für Holdenby.«
Nehemiah hob ebenfalls die Hand. Will und ich stimmten für London und Cromwell. Wir wandten uns alle Scogman zu, den wir fast vergessen hatten. Seit ihm das Kaninchen entwischt war, hatte er im Gras gelegen, den Hut über die Augen geschoben, und schien zu schlafen. Doch er erklärte, dass er, während er der wichtigen Aufgabe nachgegangen war, über sein Abendessen nachzudenken, uns zugehört hatte, hin und wieder jedenfalls, und sagte, dass er Cromwell fürchtete und ihm misstraute, aber dass er es lieber hätte, Cromwell auf unserer Seite zu wissen, statt ihn als Gegner zu haben.
»Ich würde Major Tom«, sagte er – und sicherte sich, ganz Scogman, ab, indem er die Balance zwischen Ehrerbietung und Gleichmacherei hielt – »gerne die Frage stellen, die keiner gestellt hat.« Ich hatte die Abstimmung mit Verachtung betrachtet, war frustriert über die lange Diskussion, und nun das. Was konnte jemand wie Scogman schon beisteuern? Doch wieder verblüffte er mich, als er seine Augen gegen die Sonne abschirmte, mir ins Gesicht blickte und ganz leise sagte:
»Ihr kennt Cromwell. Nicht die Bilder. Nicht die Geschichten. Ihr kennt ihn als Mann. Wird er auf unserer Seite stehen?«
Das war die einzige Frage, die ich nicht beantworten konnte. Es ließ sich unmöglich vorhersagen, wie Cromwell reagieren würde. Womöglich würde er uns auf der Stelle einsperren lassen. Sicher war nur, dass Cromwell, sobald die Zeit der Zweifel und Befragungen vorüber war, so schnell und entschlossen handelte, dass man das Gefühl hatte, es hätte stets nur eine Lösung gegeben. Und das war es, was wir mehr brauchten als alles andere. Entscheidung. Taten.
Ich gab nichts davon preis, als ich ohne Zögern antwortete, dass Cromwell auf unserer Seite wäre.
»Dann sei Gott mit uns«, sagte Scogman, »auf unserem Weg nach London.«
19. Kapitel
Wir erreichten Aldgate bei Sonnenuntergang. Am Tor standen zusätzliche Wachen, die misstrauisch diejenigen beäugten, die nach Anbruch der Dunkelheit in die Stadt wollten. Inmitten der Gruppe sah ich ein altes Banner, unter dem ich in Edgehill gekämpft hatte: ein rotes Kreuz mit der Inschrift FÜR GOTT UND PARLAMENT. Aber für welches Parlament? Die Bürgergarden bestanden inzwischen allesamt aus Presbyterianern. Holles hielt die Stadt. Die bedeutendsten Kaufleute, deren Geschäfte mit dem Krieg eingebrochen waren und die wussten, dass Holles, nicht Cromwell, sich mit dem König einigen würde, begannen ihm Gefolgschaft zu leisten. Der Siegelring verschaffte uns ohne große Schwierigkeiten Einlass, so wie er uns auch die Pferde verschafft hatte, doch an den mürrischen Blicken, mit denen man uns bedachte, merkte ich von neuem, dass seine Macht dahinschwand.
In den Straßen der Stadt staute sich die Hitze, und der Gestank war unerträglich, bis wir Temple Bar verließen und die kühlere Luft der Drury Lane einatmeten. Allerdings herrschte hier eine andere Art von Hitze. Wir merkten es an der Anzahl der Botenjungen, die eilig Cromwells Haus betraten oder verließen, an dem Stimmengewirr im Garten, als wir unsere Pferde in den Stall führten, an der Anspannung in Mrs Cromwells sonst so ruhiger Stimme: »Nicht noch mehr Besucher! Haben wir noch genügend Brot?«
Sie führte einen bescheidenen Haushalt. Die Diener eilten mit Brot, Butter und Dünnbier hinaus in den Garten. Mein Haus befand sich am Ende der Straße, und ich schickte einen der Diener zu Anne, um sie zu vorzuwarnen, dass wir über Nacht bleiben würden.
Als wir den Garten betraten, erstarb die Unterhaltung. Auf den ersten Blick mochte es wie ein geselliges Treffen aussehen. Die Luft roch süß. Die letzten Blüten lagen
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