Fallen Angel 07 Tanz der Rose
ihre dunklen Augen spiegelten Angst und tiefen Schmerz wider.
Stephen hätte ihr gern gesagt, wieviel sie ihm bedeutete, welches Glück ihm die wenigen Wochen mit ihr beschert hatten, doch ihm fehlten die Worte, weil er nie gelernt hatte, Gefühle auszudrücken. Aber er betrachtete ihr Gesicht, bis seine Lider sich erschöpft schlossen, und hoffte inbrünstig, daß er es soeben nicht zum letztenmal gesehen hatte.
Rosalind hielt Stephens Hand, bis er eingeschlafen war. Was sollte sie jetzt machen? Höchstwahrscheinlich würde er nicht mehr die Kraft haben, in seine geliebte Abtei zurückzukehren. Sie mußte Fyfield, seinen Sekretär, bitten, Lord Michael zu benachrichtigen, der vielleicht schon in Ashburton Abbey auf seinen Bruder wartete.
Und sie selbst? Sollte sie ihre Mutter oder Jessica zu Hilfe rufen? Seelischer Beistand wäre ihr sehr willkommen, aber konnte sie es verantworten, die Truppe einer der beiden Hauptdarstellerinnen zu berauben?
Sobald Stephen gleichmäßig atmete, stand sie auf und verließ leise das Zimmer. Glücklicherweise hatte das Personal sie von Anfang an akzeptiert und gehorchte ihr aufs Wort. Nachdem sie Fyfield beauftragt hatte, Stephens Bruder zu informieren, unterhielt sie sich mit Hubble, der ebenso wie sie selbst am liebsten einen Arzt geholt hätte, aber Verständnis zeigte, als Rosalind ihm erklärte, warum Stephen nichts davon wissen wollte. Der Kammerdiener hatte miterlebt, welchen unnötigen medizinischen Torturen der alte Herzog unterzogen worden war, und die sollten seinem Herrn erspart bleiben. Als Hubble bat, einige Stunden am Krankenbett wachen zu dürfen, erlaubte Rosalind es bereitwillig, denn der Mann kannte Stephen viel länger als sie und hing sehr an ihm.
Außerdem war sie mit ihren seelischen Kräften fast am Ende und hatte das Bedürfnis, ihrer Verzweiflung irgendwo ungestört freien Lauf zu lassen, was in einem Haus voller Dienstboten leider nicht leicht zu bewerkstelligen war. Dann fiel ihr Lord Michaels Suite ein, und sie flüchtete dorthin, warf sich im Schlafzimmer auf das breite Bett und brach in haltloses Schluchzen aus.
32. Kapitel
Es war schön, wieder in der Abtei zu sein. Stephen ging den Pfad entlang, der diagonal durch den Klostergarten führte, und genoß das Knirschen des Kieses unter seinen Stiefeln. Hier hatte er schon als kleiner Junge am liebsten gespielt, und heute war der Garten schöner denn je. Die Blumen verströmten einen betörenden Duft und zeigten in der Sonne ihre ganze Farbenpracht.
Aber wie war es möglich, daß er an diesem herrlichen Sommertag in Ashburton Abbey war? Er hielt sich doch in London auf, und es war schon Herbst. Mit gerunzelter Stirn blieb er stehen und betrachtete seine Umgebung. Alles sah ganz normal aus, und er trug auch seine übliche Landhauskleidung: Reithose, Reitstiefel und dunkelblaues Jackett.
Nicht normal war nur, daß er keine Schmerzen verspürte. Verwirrt ging er weiter. Der Garten war auf allen vier Seiten von einem offenen Bogengang mit alten Steinkapitellen umgeben, wo früher die Nonnen ihre Exerzitien abgehalten hatten. Auch Stephen hielt sich gern in diesem Kreuzgang auf, besonders an stürmischen Tagen, wenn das Deckengewölbe Schutz vor peitschendem Regen bot.
Louisa hatte den Ort ebenfalls geliebt und stundenlang hier gesessen, bei schönem Wetter im Garten, ansonsten im Kreuzgang.
Auch jetzt saß sie auf einer Steinbank, wie immer über ihren Stickrahmen gebeugt. Der Anblick war ihm so vertraut, daß er das ganz natürlich fand, bis ihm einfiel, daß an dieser Stelle nie eine Bank gestanden hatte - und daß Louisa tot war.
Träumte er? Es mußte wohl so sein, aber er hatte noch nie im Leben einen so realistischen Traum gehabt.
»Louisa? « rief er und ging langsam auf sie zu.
Sie schaute auf und schenkte ihm ein heiteres Lächeln. Obwohl sie die Lippen nicht bewegte, hörte er ihren Gruß im Geist. Stephen, ich habe auf dich gewartet.
Stephen ließ sich im Gras vor der Bank auf ein Knie nieder, damit ihre Augen auf gleicher Höhe waren. Louisa war so zierlich und schön wie früher, doch ihr Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Sie sah zugänglich aus, so als wäre die unsichtbare Wand, die sie immer voneinander getrennt hatte, verschwunden. »Wo bin ich? « fragte er. »Und warum bin ich hier? «
Sie legte ihren Stickrahmen auf den Schoß und schaute ihn mit ruhigen blauen Augen an. Dies ist eine Art Vorzimmer zum Himmel.
Er starrte sie an. »Es gibt also wirklich ein Leben
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