Fallen Angels 02 - Der Dämon
worden, aber das Foto von ihm zu Lebzeiten, das in seiner Todesanzeige abgedruckt wurde, passt gut zu dem Verbrecherfoto, das gestern Abend auf der Polizeiwache geschossen wurde. Es ist derselbe Bursche.«
»Du lieber Himmel ...«
»Ich will ja nichts sagen, aber die Abtauchnummer damals war teuer und gründlich. Ich meine, dass er überhaupt so lange untertauchen konnte - klar, man kann das schon hinkriegen, immerhin leben wir in einem großen Land und so. Aber man muss doch ganz schön vorsichtig sein, weil es eine Menge zentrale Datenbanken gibt. Seine eigene Sozialversicherungsnummer hat er nicht benutzt, die ist anders als die ursprüngliche unter seinem Namen. Aber ich hab das Gefühl, der weiß, was er tut. Und er hat eine solide Rückendeckung.«
»Im Sinne von?«
»Ich sag nur U und S.«
»Bindestrich Regierung?«
»Ich meinte Uncle Sam, aber ja, das passt auch.«
»Ich kapier es trotzdem nicht. Wenn er verschwunden bleiben wollte, warum hat er seinen eigenen Namen behalten? Wenn man sich eine neue Sozialversicherungsnummer kauft, kriegt man doch normalerweise einen neuen Namen dazu, oder?«
»Das müsstest du ihn schon selbst fragen. Spontan fällt mir dazu nur ein - er hat einfach nicht damit gerechnet, gefunden zu werden. Und noch eins will ich dir sagen: An deiner Stelle wäre ich vorsichtig bei dem Typen. Diese Leiche in dem Graben in Mississippi ist da nicht zufällig hingeraten. Ich verwette meinen Arsch darauf, dass jemand einen weißen Mann umgebracht hat, der ihm ähnlich genug sah, um für ihn durchzugehen. Und da dein Mandant noch am Leben ist, könnte er durchaus der Mörder sein.«
Grier schloss die Augen. Na super. Das wurde ja immer besser: Nicht nur hatte sie für einen Knacki mit Fluchtrisiko Kaution gestellt, der tatsächlich abgehauen war, nein, der Mann hatte möglicherweise auch noch jemanden getötet und seinen eigenen Tod vorgetäuscht.
Höflich und sanftmütig, na klar, dachte sie. Wie zum Teufel hatte jemand wie sie, die ihr Studium mit summa cum laude abgeschlossen hatte, so blöd sein können?
In diesem Moment teilte sich die Menge und gab den Blick auf Daniel frei, der in einem Smoking neben einem der Degas-Drucke lehnte. Seine Miene sagte dick und fett: »Ich hab's dir ja gesagt«, als er ihr mit einer Champagnerflöte zuprostete.
Er hatte natürlich nicht ganz Unrecht. Obwohl er vor über zwei Jahren gestorben war, hatte Grier sozusagen die Herz-Lungen-Massage immer noch nicht aufgegeben: Weil sie sich so verzweifelt wünschte, ihn ins reale Leben zurückzuholen, mischte sie sich in die Dramen fremder Menschen ein. Manchmal war der Drang, zu helfen, das Einzige, was sie noch bei der Stange hielt.
»Alles klar bei dir?«
Sie umfasste das Handy noch fester und fragte sich, was der Privatdetektiv wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass sie in die allwissenden Augen ihres verstorbenen Bruders blickte. »Nein, eigentlich nicht, Louie.«
»Hat er dich reingelegt?«
»Ich hab mich selbst reingelegt.«
»Tja, eine Info hätte ich noch für dich, wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich sie dir wirklich geben will. Klingt, als würdest du jetzt schon zu tief drinstecken.«
Sich innerlich wappnend, murmelte sie: »Raus damit. Wenn schon, dann will ich alles wissen.«
Acht
Nordrasen, Himmel
Hoch oben über der Erde marschierte der Erzengel Nigel im Himmelsreich über kurz geschnittenes grünes Gras, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Kopf gesenkt, die Augen geradeaus gerichtet. Sein weißer Krocketanzug war nicht vernünftig zum Einsatz gekommen, da seine mangelnde Konzentration ihn zu einem harmlosen Gegner für Erzengel Colins formidable Kunstfertigkeit mit dem Krockethammer machte.
Nigels Kugeln waren von hier nach da und nach dort gerollt, nur nicht durch die Tore.
Schließlich hatte er es aufgegeben. Es war ihm einfach unmöglich, seine Gedanken etwas anderem zuzuwenden als dem, was ihn so aufbrachte, und daher war er zu nichts anderem als zum Umherwandern und Grübeln zu gebrauchen.
Verdammt noch einmal, Regeln mussten befolgt werden. Deshalb wurden sie schließlich in einem Wettbewerb der List und Tücke vor Beginn der Partie festgelegt - damit nicht mitten im Spiel Fragen oder Fehlentscheidungen aufgrund von Missdeutungen entstehen konnten. Wahrlich, er hatte immer fest daran geglaubt, dass für einen fairen Wettbewerb zweierlei erforderlich war: ebenbürtige Gegner und klar festgelegte Parameter.
Und im vorliegenden Fall, bei dem nicht weniger
Weitere Kostenlose Bücher