Fallen Angels 02 - Der Dämon
einer Hand durch das kurze Haar, sein Bizeps wölbte sich ansehnlich auf, wobei eine helle, wütende Bissnarbe auf dem Muskel hervortrat. »Ich muss das Land verlassen, weil ich dann eine bessere Chance habe. Wenn ich gefunden werde, töten sie mich.« Er legte sich eine Hand aufs Herz, als wollte er einen Eid ablegen. »Ich werde Ihnen nie absichtlich wehtun, das schwöre ich. Als Sie reingekommen sind, wusste ich nicht, dass Sie das sind. Ich hatte einen Traum. Alptraum. Verfluchte Scheiße ...« Er zuckte zusammen. »Mist, meine ich. Entschuldigen Sie den Kraftausdruck.«
Sie musste ein wenig lächeln. »Manchmal passt eben nichts anderes.«
»Warum sind Sie nach unten gekommen? Hab ich ... irgendwelche Geräusche gemacht?«
Als wäre es nicht das erste Mal, dass er das tat.
Grier überlegte kurz und beschloss, ihren geflügelten Besucher für sich zu behalten. »Ich muss wohl geahnt haben, dass Sie mich brauchen.«
Einen langen Moment lang sahen sie einander in der weichen Dunkelheit an.
»Kann ich denn irgendwie helfen?«, flüsterte sie.
»Nehmen Sie einfach nur das Geld an, das ich Ihnen schulde, und legen Sie mein Mandat nieder. Bitte. Und wenn jemand nach mir fragen sollte, dann erzählen Sie ihm alles, was Sie wissen.«
»Was praktisch gar nichts wäre«, dachte sie laut.
»Exakt.«
Kopfschüttelnd ging sie auf ihn zu und legte ihm die Hand auf den Unterarm. »Ich kann Sie nicht davon abhalten, zu fliehen, aber ich kann mir nicht erlauben, Ihr Geld zu nehmen. Wenn Sie es bei mir zurücklassen, dann bringe ich es einfach nur zur Polizei ...«
»Aber ich will damit meine Schulden abbezahlen.«
»Ich kann es nicht annehmen - Sie wissen, dass das nicht geht. Meine Zulassung als Anwältin steht auf dem Spiel. Offen gestanden, wandle ich jetzt schon auf einem schmalen Grat hin zur Komplizin. Eigentlich hätte ich draußen in Maiden die Polizei rufen müssen. Und morgen früh muss ich denen erzählen, dass ich Sie eine Zeit lang beherbergt habe, solange ich versucht habe, Sie zu überreden, sich zu stellen. Das alles ist schon schlimm genug.«
Aber Gott stehe ihr bei, sie glaubte ihm. Sie glaubte ihm, dass er um sein Leben rannte. Und verdammt noch einmal, sie würde ihm helfen, so gut sie nur konnte.
Während Isaac nackt vor seiner Strafverteidigerin stand, versuchte er immer noch angestrengt, zurück auf Realität zu schalten. Der Alptraum zerschmolz jedes Mal seinen inneren Eiskern, sodass er frei fließend und tropfend daraus hervorkam. Oder zumindest fühlte es sich so an. Nach dem Aufwachen schien alles um ihn herum immer eine Zeit lang zu schnell zu laufen und verbrauchte zu viel Energie, um es zu begreifen.
Der verfluchte Traum war immer derselbe, und selbst nach zwei Jahren war er noch so grauenerregend wie beim ersten Mal: In totaler Finsternis wurde er von einem lebendigen Leichnam mit lidlosen Augen misshandelt, bis er von Kopf bis Fuß blutete und durch das - was auch immer man ihm in den Mund geschoben hatte - hindurchschrie. Es gab niemals ein Entrinnen. Er war auf eine Art Tisch geklemmt oder gefesselt, und niemand konnte ihn hören - den physischen Schmerz konnte er zwar aushalten, aber unerträglich war das Wissen, dass die Folter bis in alle Ewigkeit andauern würde. Sie nahm nie ein Ende ...
Grier drückte seinen Arm und holte ihn zurück ins Hier und Jetzt. »Dieser Zeitungsartikel«, sagte sie. »Der von vor fünf Jahren. Wer war für den Toten in dem Graben verantwortlich?«
»Ich habe ihn nicht umgebracht.«
Aber er hatte von dem Toten gehört - und Matthias, ohne viele Fragen zu stellen, seine Brieftasche und ein paar Klamotten von sich gegeben. Und sobald er diese materiellen Symbole seines Lebens ausgehändigt hatte, hatte er sich dem Schoß der X-Ops anvertraut und war von der Bildfläche verschwunden. Seine Familie zu verlassen war einfach gewesen; sein Vater hatte fünf wilde Jungs allein auf einem Bauernhof aufgezogen, und einer weniger war ein Segen für dieses Rudel Neandertaler. Noch dazu hatten er und sein alter Herr sich nie vertragen.
Was genau der Grund war, warum er seinen eigenen Namen auf dem gefälschten Ausweis benutzt hatte, nachdem er getürmt war. Zu Hause suchte niemand nach ihm - und er hatte selbstverständlich nicht vorgehabt, sich verhaften zu lassen. Aber wenn er schon neu anfangen wollte, dann als der Mensch, der er gewesen war, bevor Matthias in sein Leben getreten war. Total dämlich, natürlich. Kein Name oder Etikett würde ihn an diesen
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