Fallen Angels 03 - Der Rebell
Werk zu machen. Sie konnte entweder als wirbelnder Dunst über den gebohnerten Boden huschen, aber das hätte eine Panik ausgelöst. Oder sie hätte sich unsichtbar machen können, aber das war in ihren Augen eher unoriginell: Schon so manches Jahrhundert hatte sie sich damit vertrieben, sich unerkannt unter die Menschen zu mischen, sie in die Fersen zu kneifen oder im Vorbeigehen zu streifen – oder auch noch weiter zu gehen.
Nur weil sie arbeitete, musste sie ja nicht gleich auf ihr Vergnügen verzichten. Immerhin drängte ihre Therapeutin sie immer dazu, mehr Balance im Leben zu finden.
Auf dem Weg in die betreffende Station kam sie durch einen Korridor, in dem Fotos diverser Chefärzte hingen.
Sehr hilfreich, wie sich herausstellte.
Vor einigen blieb sie stehen, prägte sich ihre Gesichtszüge und das jeweilige Zubehör ein, die Namensschilder und Titel, die weißen Kittel und gestreiften Krawatten oder schicken Blusen.
Es war, wie ein neues Outfit zu shoppen. Und sie verfügte über ihre eigene Änderungsschneiderei.
Sie machte einen Schritt um die nächste Ecke, vergewisserte sich, dass sie allein war; dann zog sie die Überwachungskamera an der Decke mit einem kleinen Stromschlag vorübergehend aus dem Verkehr.
Im Anschluss daran nahm sie Gesicht und Kittel des Chefarztes der Neurologie an, eines gewissen Dr. Denton Phillips.
Im Vergleich zu ihrer üppigen Hülle der brünetten Sexbombe war dieses Erscheinungsbild natürlich eine schlaffe Enttäuschung. Der Mann war um die sechzig Jahre alt, und obwohl er auf eine gepflegte, schnöselige Weise gut aussah, fühlte Devina sich hässlich und schlecht zusammengesetzt.
Aber immer noch besser als ihr echtes Aussehen, und es war ja auch nicht für ewig.
Zurück im Hauptflur lief sie wie ein Mann, und es war erhebend, die Hochachtung und Angst in den Augen des Personals zu sehen, dem sie begegnete. Nicht ganz so unterhaltsam wie Wollust und Neid, aber trotzdem ganz amüsant.
Zu fragen, wo Kroner lag, war nicht nötig. Er leuchtete wie ein Signalfeuer, dem man leicht folgen konnte – und sie war nicht überrascht, vor dem Zimmer einen uniformierten Beamten sitzen zu sehen.
Der Mann stand auf. »Doktor Phillips.«
»Ich muss nur kurz zu ihm rein.«
»Lassen Sie sich ruhig Zeit.«
Wohl nicht – sie musste sich beeilen. Sie hatte keine Ahnung, wie der gute Denton in Wirklichkeit klang, und auch seine Größe konnte sie nur schätzen – so war das eben, wenn man sich mit einem Foto als Vorlage begnügen musste. Es wäre nicht so ideal, jetzt einem seiner Kollegen über den Weg zu laufen, oder schlimmer noch: ihm selbst.
Die Intensivstation, auf der Kroner lag, hatte Glaswände mit Vorhängen, und selbst von außen konnte man das Zischen des medizinischen Geräts hören, das ihn am Leben erhielt. Sie öffnete die Tür, schob die froschgrüne Gardine beiseite und trat ein.
»Du siehst total scheiße aus«, sagte sie mit einer Männerstimme.
Auf dem Weg zum Bett ließ sie dann allerdings die visuelle Arztlüge fallen und zeigte sich als die wunderschöne Frau, der Kroner vor zehn Jahren erstmals begegnet war.
In jeder vorhandenen Körperöffnung steckten Schläuche, und mit dem Drahtgewirr auf seiner Brust sah er aus wie eine Art menschliches Schaltpult. Viel Verband und weißer Mull auf grauer Haut. Viele Prellungen. Und sein Gesicht sah aus wie ein Luftballon, so rot und glänzend und aufgebläht war es von der Schwellung.
Das war nicht das Ende, das sie für ihn vorgesehen hatte. DelVecchio hätte eigentlich einknicken und den Penner umbringen sollen, ehe Heron überhaupt Wind davon bekam, wer die nächste Seele war. Leider war ihr dürres, geisteskrankes Opferlamm von jemand anderem geschlachtet worden.
Mist, Mist, Mist, man sah deutlich, dass er nicht durchkommen würde. Klar, sie war kein Arzt – sie spielte nur hin und wieder einen –, aber allein die bleiche Gesichtsfarbe erinnerte sie an einen Bestattungsunternehmer.
Doch es war noch nicht zu spät. Und nach dieser ersten klei nen Panne wollte sie mit dem Ergebnis dieser Runde kein Risiko eingehen. Zeit, etwas aggressiver zu werden, besonders in Anbetracht der Vereinbarung, die sie mit Heron getroffen hatte.
»Du bist noch nicht an der Reihe.« Sie beugte sich über das Bett. »Ich brauche dich noch.«
Mit geschlossenen Augen legte sie sich wie ein Schleier über den Körper des Mannes, umhüllte ihn und sickerte durch jede Pore in ihn hinein. Die ihr innewohnende Kraft füllte seinen
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