Fallende Schatten
und unternahm keinerlei Versuch, Gleichgesinnte zu finden. Das war ein Jammer, denn hätte sie sich auch nur ein wenig Mühe gegeben, dann hätte sie jede Menge Leute kennenlernen können. Da Maisie nichts im Kopf hatte außer Filmstars und die Hitparade, war sie zwar vielleicht ein bißchen verrückt, bösartig war sie jedoch nicht. Sie war leicht zu beeindrucken und ließ sich widerstandslos tyrannisieren, und binnen kurzem hatte sie die Vorurteile ihres Mannes zu ihren eigenen gemacht. Als sie Buller Reynolds geheiratet hatte, hatte sie sich selber alles andere als einen Gefallen erwiesen.
Am Ende hegte sie einen bitteren Groll gegen ihn. Hätte sie irgendeine Möglichkeit, die entsprechenden Mittel oder etwas Phantasie gehabt, sie wäre geradewegs nach England zurückgefahren. Aber sie hatte nichts von alledem. Bis zu seiner Ermordung hatte er sie mit diesen drei Dingen versorgt. Unter den gegebenen Umständen erschien der verdammte Krieg als eine persönliche Unannehmlichkeit. Hinsichtlich ihrer Möglichkeiten und des zukünftigen Wohlergehens ihres Jungen war Maisie realistisch.
Mit beträchtlicher Beklommenheit machte sie sich daran, herauszufinden, auf welche Summe die in Geld umsetzbaren Vermögenswerte ihres Ehemannes sich belaufen könnten. Sie ging davon aus, daß ihre hauptsächliche Einnahmequelle die Häuser waren. Aber dann war da ja auch noch ein Druckereibetrieb in Ringsend, von dem sie nur wußte, daß Wilf den Namen seines Partners gestrichen und »& Sohn« hinzugefügt hatte, als Arthur zur Welt gekommen war. Was dort gedruckt wurde und wer dort arbeitete, davon hatte sie keine Ahnung. Sie wußte sogar nur ganz ungefähr, wo die Firma lag, bis eine kleine Abordnung von Angestellten bei ihr auftauchte, angeblich, »um ihr Beileid auszusprechen«, in Wirklichkeit jedoch, um herauszufinden, ob sie ihren Arbeitsplatz noch hatten.
Die Gruppe wurde von zwei groß gewachsenen, dunklen, offenbar ziemlich hartgesottenen Männern namens Hanion angeführt, die wie Brüder aussahen. Sie stellten sich selber als die Drucker vor. Einer ihrer Kollegen, ein zwergenhafter Mensch mit Namen Reilly, war der Vorarbeiter. Es überraschte sie, daß die beiden abseits standen, während letzterer das Wort an sie richtete. Sein Akzent war so breit, daß sie ihn kaum verstand. Ehe sie mit einem listigen Ausdruck auf dem Gesicht gingen, überreichte der Vorarbeiter ihr eine gedruckte Ergebenheitsadresse der Belegschaft. Dann trat der ältere der beiden Drucker vor, lächelte frostig und versprach, sie würden »so weitermachen wie bisher«, bis sie von ihr hörten. Zum ersten Mal, seit sie in Dublin war, hatte sie nicht die geringste Schwierigkeit, zu verstehen, was er meinte, und wußte auf der Stelle, daß sie kaum Aussicht hatte, den Betrieb in Besitz zu nehmen. Solange diese Schlägertypen mit den scharf geschnittenen Gesichtszügen dort zuständig waren.
Eine Woche lang dachte sie darüber nach, dann entschloß sie sich, das Geschäft zu verkaufen und sich daraus zurückzuziehen, solange es noch gut lief. Bezüglich ihrer Rechte an dem Druckereibetrieb bräuchte sie allerdings professionellen juristischen Rat. Sobald das einmal geklärt war, würde sie ihren Anteil verkaufen oder, wie der ältere Hanion es so schön ausgedrückt hatte, »zu einer Übereinkunft gelangen«.
Die Drucker blieben nicht ihre einzigen Besucher und ganz gewiß nicht die einzigen, die ihr indirekt drohten. Allmählich wurde ihr auch klar, sie würde ohne die Hilfe eines guten, anständigen Rechtsanwalts auskommen müssen. Offensichtlich hatte Wilf bei seinen geschäftlichen Unternehmungen keinerlei juristischen Beistand in Anspruch genommen. Der Rechtsanwalt, den sie aufgesucht hatte, war ein paar Wochen später aus der Sache ausgestiegen.
»Tut mir leid, Mrs. Reynolds, ich weiß nicht so recht, wie ich es formulieren soll, aber ich glaube nicht, daß ich Ihnen eine große Hilfe sein kann.« Er hatte andeutungsweise gelächelt und seinen Blick über ihre Einrichtung schweifen lassen. Plötzlich war sie sich irgendwie schmutzig vorgekommen. Sie hatte Schwierigkeiten gehabt, zu verstehen, was er mit affektierter Stimme vorbrachte. »Aneignung, nicht Kauf war, so fürchte ich, die Geschäftsgrundlage Ihres Mannes. Meiner Ansicht nach sollte man die Übernahmemethoden nicht eingehender untersuchen. Rechtlich gesprochen, hat er Sie, gelinde ausgedrückt, auf etwas unsicherem Terrain zurückgelassen.«
All dies hätte sie einschüchtern
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