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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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schwafelte sie dann so daher?
    »Ich habe erst vor drei Tagen davon erfahren, durch Sinead Flynn. Sie kennen Sinead, nehme ich an? Ist nicht ganz so talentiert wie ihre Mutter … oder Ihre«, sagte sie im gleichen Ton wie Mrs. Thatcher, wenn diese am unaufrichtigsten war. »Ich hoffe, Sie entschuldigen, daß ich nicht da war?« Sie streckte die Hand aus, umfaßte meine und zog mich dabei leicht an sich. Ich hatte das Gefühl, von einer Gottesanbeterin umschlungen zu werden.
    »Sie versprechen, gelegentlich wieder vorbeizukommen? Ich gebe hin und wieder recht angenehme Gesellschaften. Im Herbst? Wenn das Parlament wieder tagt. Dann kommen jede Menge interessanter Leute. Und ein hübsches Mädchen ist da immer willkommen. Versprochen? Ich bin sicher, meine Donnerstagabende würden Ihnen Spaß machen. Wann …«
    Jetzt wußte sie nicht mehr weiter. Ich auch nicht.
    »Tut mir leid«, erklärte ich, »ich wohne nicht in Dublin. In ein paar Tagen fliege ich nach Hause zurück.«
    »Oh. Na schön, dann vielleicht nächstes Mal?« meinte sie vage, als hätte sie bereits das Interesse verloren. Wir murmelten beide »Auf Wiedersehen«, und ich schüttelte eine schlaffe Hand. Als ich ihr in die Halle folgte, drehte sie sich so unvermittelt um, daß ich fast mit ihr zusammenstieß.
    »Sie haben die Rechnung vergessen.«
    »Aber … Tut mir leid, ich verstehe nicht. Sie haben gesagt, Sie hätten das bereits geregelt. Als Sie angerufen haben. Gestern Abend.«
    »Wirklich? Gott im Himmel, da muß ich geträumt haben. Ich habe es schon hergerichtet. Warten Sie einen Augenblick, meine Liebe. Ich bin gleich wieder da.«
    Sie verschwand die Treppe hinauf und ließ mich da stehen wie eine Bettlerin, die auf ein Almosen wartet. Die war nicht nur auf Macht versessen, dieses Miststück, sondern auch auf Demütigung. Meine Hand hatte bereits die Türklinke niedergedrückt, als sie mich zurückrief. Ich drehte mich um und sah zu, wie sie die Treppe herabschlenderte und dabei mit einem dicken weißen Umschlag auf ihr Handgelenk klopfte. Ihre seltsamen Augen, die nie blinzelten, fixierten meine, als sie mir den Umschlag überreichte.
    »Damit wäre die Angelegenheit also abschließend geregelt, nicht wahr, meine Liebe?« Sie grinste und zog spöttisch die Augenbrauen hoch. Sehr spöttisch. Fast, als sei die Bezahlung für mich und nicht für Lily. Oder war das wieder einmal eine Wahnvorstellung von mir? Ich lief purpurrot an, brachte es jedoch nicht fertig, ihr zu danken.
    »Die kleinen Besuche Ihrer lieben Mutter werden mir fehlen. Und natürlich ihre wundervollen Nähkünste. Ich weiß nicht, was ich ohne sie machen soll. Auf Wiedersehen, meine Liebe. Es war sehr freundlich von Ihnen, mein wunderschönes Kleid so schnell zu liefern.« Sie lachte fröhlich. »Aber schließlich sind Sie ja im Speditionsgeschäft, stimmt’s?«
    Ich hatte gute Lust, ihr auf den langen, eleganten Fuß zu treten und ihn zu zermalmen. Aber diese Blöße gab ich mir nicht. Ich war schon fast die Stufen hinuntergegangen, als sie mir nachrief: »Herrje! Sie haben vergessen, mir Ihre Adresse zu geben. Für die Party.«
    Ich blickte zu ihr hinauf und schenkte ihr mein strahlendstes Lächeln.
    »Tut mir leid, Mrs. Hanrahan, aber ich habe meine Visitenkarten nicht bei mir.«
    Vergnügt winkte ich ihr zu und verschwand, ehe ihr noch etwas einfiel. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wozu sie meine Adresse wollte. Für Partys bestimmt nicht.
    Ein paar glühend heiße Minuten saß ich bei offener Tür im Auto. Obwohl ich die Lüftung auf Hochtouren laufen ließ und die Fenster heruntergekurbelt hatte, brachte die Hitze mich schier um den Verstand. Immer wieder ließ ich mir durch den Kopf gehen, was Madam gesagt hatte. Ich spürte eine verborgene Absicht, hatte jedoch keine Ahnung, worauf sie hinauswollte. Sie hatte gesagt, sie hätte ihre Rechnung beglichen, warum also hatte sie mir den Umschlag gebracht? Ich öffnete ihn und zählte die knisternden Zehn-Pfund-Scheine; zu meiner Überraschung stellte ich fest, es waren fünfhundert Pfund.
    O mein Gott. Ich lehnte mich zurück und schloß die Augen; ganz heiß war mir vor Scham. Ich hatte sie falsch eingeschätzt. Sie hatte, wie indirekt auch immer, versucht, freundlich zu sein. Wahrscheinlich hatte sie geglaubt, ich sei nicht in der Lage gewesen, die Kosten für das Begräbnis zu begleichen. Ein oder zwei andere Freunde meiner Mutter waren besorgt um diese quälende Frage herumgeschlichen, bis ich sie

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