Falling in love
Erklärung habe ich kein Wort mitbekommen, also nicke ich einfach. Auch wenn er die Worte nur nachgeplappert hat, hat er sie vermutlich falsch nachgeplappert. Aber ich habe keine Lust, mit den Synkopierungen noch mal von vorn anzufangen.
Plötzlich spüre ich ihren Blick.
Ich schaue auf. Schnell schaut Sara weg.
Ganz eindeutig: Sie hat mich angeschaut. Schon wieder. Seitdem ich mit Laila gesprochen habe, schaut Sara mich ständig an. Mädchen erzählen sich alles. Auch das habe ich einberechnet.
Ich bin mir sicher, dass sie mich mag. Und ich bin mir sicher, dass sie langsam mitbekommt, was Dave für ein Idiot ist. Eigentlich muss ich nicht warten, bis wir in Musik nebeneinandersitzen. Warum gehe ich nicht sofort auf sie zu?
17. Kapitel
Was mache ich hier eigentlich?
4. Oktober, 19.11 Uhr
Ich weiß nicht, was ich anziehen soll.
Alles in meinem Kleiderschrank habe ich schon mindestens zweimal anprobiert. Und alles sieht beknackt aus. Heute machen wir einen Pärchenabend mit Caitlin und Matt. Und ich besitze kein einziges Kleidungsstück, das auch nur ansatzweise dem nahekommt, was Caitlin unter hip versteht. Gestern hatte sie ein Oberteil an, das wahrscheinlich mehr gekostet hat als alle meine Klamotten zusammen.
Verzweifelt laufe ich vor meinem Kleiderschrank auf und ab. Und dann habe ich eine Idee. Mom hat sich doch neulich so ein trägerloses Oberteil gekauft. Als sie es mir vorgeführt hat, war sie wirklich gut drauf, was nicht so oft vorkommt. Mir ist erst im Nachhinein aufgefallen, dass sie mich tatsächlich zwei Sekunden lang wie ein menschliches Wesen behandelt hat, denn in dem Moment hatte ich einfach nur Angst, dass sie gleich wieder von ihrer üblichen schlechte Laune befallen wird. Auf das Oberteil habe ich deswegen auch nicht weiter geachtet, aber jetzt will ich es unbedingt haben.
Vorsichtig drehe ich den Knauf und öffne langsam die Tür, sodass sie nicht über den Boden scharrt. Eine gefrustete Stimme ist zu hören. Schreckliche Musik. Und Moms falsches Lachen. Das kann nur eines bedeuten.
Howard ist da.
Howard ist Moms neueste Eroberung. Sie bezeichnet ihn als ihren Freund, was ich etwas merkwürdig finde. Schließlich gibt es da noch Howards Frau.
Ich finde Howard unerträglich. Und genauso unerträglich ist es, wie Mom sich in seiner Gegenwart aufführt.
Als ich durch den Flur zu Moms Zimmer schleiche, knarrt der Boden. Es gibt eine Stelle, die immer knarrt, egal, wie vorsichtig man auftritt. Und diese Stelle verrät mich jedes Mal.
»Sara!« Moms Stimme ist quietschig. »Kommst du mal her und sagst Howard Hallo?« Prima. Bis zu meinem Date sind es noch fünfzehn Minuten und jetzt muss ich mich mit so was abgeben.
Howard sitzt auf der Couch und hält ein Weinglas in der Hand. Mom sitzt im Schaukelstuhl und hält ebenfalls ein Weinglas in der Hand. Wenn Dave klingelt, sind die Gläser mit Sicherheit leer und Mom und Howard im Schlafzimmer verschwunden. Ich muss mir das Oberteil also sofort unter den Nagel reißen. Bestimmt merkt Mom nicht einmal, dass ich es trage, und ich kann es morgen einfach wieder in ihren Schrank legen.
Ich öffne die Wohnzimmertür ein Stück. »Hi«, sage ich von draußen.
»Oh, hallo«, sagt Howard. »Wie geht’s?«
Ich senke meinen Blick.
Mom räuspert sich.
Ich murmele irgendwas, was »gut« bedeuten könnte. Oder auch alles andere.
»Gibt’s was Neues in der Schule?«, fragt Howard.
Traurig, aber wahr: Howard kriegt nichts mit.
»Nö«, sage ich, ohne meinen Blick zu heben.
»Jetzt erzähl Howard doch mal was«, sagt Mom. Ich höre das falsche Lächeln, das sie in ihr Gesicht gezaubert hat. Die beiden machen mich wahnsinnig! Es kotzt mich an, dass Mom mich dazu zwingt, nett zu diesem Typen zu sein. Und zu seinem Vorgänger. Und zu seinem Nachfolger. Warum soll ich nett zu jemandem sein, der aus meinem Leben jeden Moment wieder verschwinden kann?
»Keine Lust«, sage ich und renne zurück in mein Zimmer. Das mit dem Oberteil versuche ich in ein paar Minuten noch mal.
Als ich die Tür hinter mir schließen will, reißt Mom sie wieder auf. Sie betritt hinter mir das Zimmer und knallt die Tür zu.
»Was soll das?«, faucht sie.
»Was meinst du?«
»Kannst du nicht einmal nett zu Howard sein?«
»Hmm… lass mich kurz nachdenken.«
»Hast du irgendein Problem?«
»Ob ich ein Problem habe?«, fauche ich zurück. »Ist das dein Ernst?«
Mom verschränkt ihre Arme und funkelt mich an. Es ist so offensichtlich, dass sie mich nicht ausstehen kann.
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