Falling in love
die Küche auf. Ich bin dran mit Abtrocknen. Mom ist oben, sie hat Kopfschmerzen. Immerhin müssen wir uns so nicht das Gejaule von Simon & Garfunkel oder Cat Stevens oder einem anderen Hippiehelden anhören. Na ja, James Taylor finde ich ganz gut.
Dad spült gerade den letzten Teller. »Hast du noch mal übers College nachgedacht?«
In der Schule wird nur noch über Colleges geredet. Es macht mir richtig Angst, wie fanatisch Mike mittlerweile ist. Selbst Josh ist dabei. In jeder Englischstunde feilen wir an unseren Bewerbungsschreiben, was mir weniger Zeit für meine Songtexte lässt. Neulich hat Ms Everman mich im Schulflur abgefangen. Sie scheint wirklich gedacht zu haben, dass sie mich zwischen der dritten und vierten Stunde umstimmen kann. Und auch Mr Hornby redet auf mich ein. Er will, dass ich mich an der Manhattan Music Academy bewerbe, wo er selbst studiert hat. Und Sara gehört zu den besten zehn des Jahrgangs. Selbst wenn ich sie davon überzeuge, dass wir zusammenpassen – würde sie sich ernsthaft auf jemanden einlassen, der sich nirgendwo bewirbt?
»Dein Leben hängt von deiner Ausbildung ab, Tobey.«
»Das ist mir klar.«
Ich knalle ein Glas ins Regal, aber es geht nicht kaputt.
»Nein«, sagt Dad, »das scheint dir nicht klar zu sein. Wenn dir das klar wäre, würdest du nicht den ganzen Tag rumhängen.«
»Ich hänge nicht rum.«
»Ich weiß einfach nicht, was ich noch sagen soll.«
»Ich habe eine gute Nachricht für dich: Es dauert nur noch acht Monate, dann bin ich in New York und in deinem Haus lebt endlich kein Versager mehr.«
»Tobey, so meine ich das nicht.« Dad setzt sich an den Küchentisch. »Ich weiß nicht, wie oft ich dir schon erklärt habe, was ich meine. Als du klein warst, da warst du anders.«
»Da hatte ich auch noch kein eigenes Leben.« Ich trockne mir die Hände ab und lege das Handtuch auf die Anrichte.
»Ich verstehe, dass es dir wichtig ist, ein eigenes Leben zu haben. Aber dazu gehört auch, Verantwortung zu übernehmen. Du musst dich um deine Zukunft kümmern.«
»Das ist mir klar.«
»Das ist dir nicht…«
»Okay. Weißt du, was, Dad? Das ist meine Sache.«
»Das ist auch meine Sache!« Dad fährt sich mit der Hand übers Gesicht. Ich weiß nicht, wann er mich zum letzten Mal angeschrien hat. Als er aufschaut, ist er den Tränen nahe.
Ich setze mich ihm gegenüber. »Warum willst du einen anderen Menschen aus mir machen?«
»Ich will keinen anderen Menschen aus dir machen. Es geht mir um den Menschen, der du bist. Den Menschen, zu dem deine Mutter und ich dich erzogen haben.« Dad beugt sich nach vorn. »Tobey, du bist wahnsinnig intelligent. Aber diese Intelligenz ist vollkommen wertlos, wenn du sie nicht nutzt. Intelligent zu sein und nichts damit anzufangen, ist die reine Verschwendung.«
»Moment mal. Willst du sagen, dass ich mein Leben verschwende, weil ich lieber Musik mache, als mich mit einem korrupten System zu arrangieren? Dad, für unsere Band arbeite ich wie ein Verrückter!«
»Das weiß ich doch. Aber kannst du nicht einfach beides tun?«
»Nicht jeder ist so ein Einserkandidat wie du oder Mom.«
Dad seufzt. »Und was ist, wenn du am College irgendwas mit Musik belegst?«
»Ich muss nicht aufs College gehen, um Musik zu machen.«
Dad steht auf. »Ich sage ja nicht, dass du deine Träume aufgeben sollst. Ich sage nur, dass du dir die Sache mit dem College gut überlegen solltest. Wenn du aufs College gehst, kann dir das sogar helfen, deine Träume zu verwirklichen.«
Noch eine ganze Weile sitze ich in der Küche und denke über diese Worte nach.
*
Als ich wieder in meinem Zimmer bin, schnappe ich mir die Akustikgitarre. Ich spiele etwas von Bach, bei dem ich meine Gedanken sortieren kann. Es ist eines der ersten Stücke, das ich gelernt habe, und wenn ich es spiele, fühle ich mich in die Zeit zurückversetzt, in der mein Leben noch einfach war. Damals gab es keine Probleme. Und wenn doch mal eins auftauchte, war es immer leicht zu lösen. Ich habe einfach auf meinen Bauch gehört.
Von meinem Schreibtisch nehme ich einen Stapel Papier und einen Stift. Ich koche mir einen Kaffee. Setze mich wieder hin. Und tue etwas, was ich niemals für möglich gehalten hätte: Auf das erste Blatt schreibe ich Meine Zukunft .
Und ich fülle die Seiten.
19. Kapitel
Total unromantisch
14. Oktober, 9.25 Uhr
»Das kann doch nicht wahr sein«, murmele ich.
Joe Zedepski ist sein Taschenrechner runtergefallen. Zum dritten Mal. In den letzten
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