Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
einer Laune heraus die Großwetterlage eines Kontinents verändern oder ein Stück Kohle mit bloßen Händen zu einem Diamanten pressen, einfach indem ich es will. Ich kann mich vom Wind über die ganze Welt tragen lassen oder die Meere beruhigen, bis sie so fest sind, dass ich auf dem Wasser zu gehen vermag. Lukys kennt das Geheimnis, das ihn dazu befähigt, die kleinsten Massepartikel zu teilen und dabei alles in seinem Umkreis in die Luft zu jagen, und wenn Ihr denkt, ich übertreibe, dann besucht mal die Ödnis und schaut Euch dort genau um …
Aber ich schweife ab. Bis ich all das gelernt hatte, sollten noch Jahre vergehen.
In den Tagen und Wochen nach meinem Brandopfer verstand ich überhaupt nichts. Ich war viel zu aufgeregt über meine bevorstehende Heldentat und die Möglichkeit, nach Hause zurückkehren zu können, um den Ernst meiner Lage zu erfassen.
Ja, ich schlief mit Diala – falls Ihr Euch das gefragt habt. Aber nach einigen Monaten kühlte unsere Affäre ab. Ich bin nicht sicher, wer von uns zuerst vom anderen genug bekam, aber im Unterschied zu meiner ersten Liebe ging diese Beziehung nicht in einem heftigen Streit zu Ende, sondern schlief einfach ein. Und schon kurze Zeit, nachdem wir aufgehört hatten, miteinander zu schlafen, hatte Diala auch schon den nächsten jungen Mann an der Angel, mit dem sie spielen konnte. Dieser unterhielt sie fast ein Jahr lang, bevor sie ihn verbrannte. Pech für ihn – sein Lebenswille war nicht so stark wie meiner, und die Ewige Flamme ist eine anspruchsvolle Herrin. Da gibt es keine halben Sachen. Entweder man wünscht es sich mit jeder einzelnen Faser des Seins, oder man stirbt. Von Dialas neuem Spielzeug blieb nur ein Häufchen Asche auf dem Tempelboden übrig. Wie ich hörte, schmollte sie danach ein paar Monate lang.
Damals, als Diala mich verbrannte, gab es eine Reihe anderer Unsterblicher, aber nur acht wahre Gezeitenfürsten. Ich war nicht der letzte Unsterbliche, aber ich war der letzte Gezeitenfürst.
Und das aus gutem Grund.
Ich war es nämlich, der die Ewige Flamme auslöschte.
32
Bei ihrer Rückkehr in den Palast traf Arkady die Neuigkeit der bevorstehenden Verlobung von Kylia und Mathu Debree wie eine Bombe. Sie erfuhr es von Königin Inala, die ihre Gastgeberin beiseite nahm, als man sich eben zum Abendessen niederlassen wollte, und sich im Flüsterton erkundigte, ob Kylia noch Jungfrau sei. In Gedanken noch halb bei Cayals Erzählung, war Arkady von dieser direkten Frage völlig überrumpelt.
»Ahm … ja, Euer Majestät«, stammelte sie und machte keinen Hehl aus ihrer Bestürzung. »Soweit ich weiß, schon. Warum fragt Ihr mich das?«
»Man muss sich doch vergewissern«, erwiderte die Königin mit einem Blick, der andeutete, dass Arkady solche Dinge wüsste, wenn sie nur von hohem Geblüt wäre. »Was die Zukunft des eigenen Geschlechts betrifft, kann man nie vorsichtig genug sein. Und Jaxyn Aranville war nun einmal eine ganze Weile Hausgast hier.« Die Königin beugte sich vor und fügte leise hinzu: »Bei dem Ruf des jungen Mannes besteht schließlich durchaus Grund zur Beunruhigung, meint Ihr nicht?«
Arkady schaute durch den Raum zu Jaxyn hinüber, der Kylia soeben galant zu ihrem Stuhl an der langen Tafel geleitete. Er spürte ihren Blick und sah auf, dann setzte er sich mit einem trägen Lächeln an seinen Platz.
»Jaxyn hat kein Interesse an der Nichte meines Gemahls, Euer Majestät«, versicherte sie der Königin ganz aufrichtig. »Aber Ihr habt mir noch nicht verraten, warum Ihr so an Kylias Jungfräulichkeit interessiert seid. Oder was sie mit der königlichen Familie zu tun hat.«
»Sie soll doch meinen Sohn heiraten«, erwiderte Inala, als wüsste jeder Anwesende im Raum bereits Bescheid und nur Arkady wäre noch nicht auf dem Laufenden. »Enteny und Stellan arbeiten gerade die Einzelheiten aus. Haben Euer Gemahl oder Eure Nichte Euch nicht Bescheid gesagt?«
»Vermutlich wollte Stellan eine Überraschung daraus machen«, erwiderte Arkady mit bewunderungswürdiger Ruhe.
»Die ich ihm jetzt vermasselt habe«, seufzte die Königin und tätschelte Arkadys Arm. »Wie gedankenlos von mir.«
Arkady rang sich ein Lächeln ab. »Ich werde einfach überrascht wirken müssen, wenn er es mir erzählt.«
»Und Euer Hausgast?«
»Bitte?«
»Was hält ihn so lange hier, Liebes, wenn er nicht hinter Eurer Nichte her ist?«
Weil dieser Parasit sich gerne halten lässt wie eine verhätschelte Hauskatze, war Arkady
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