Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
scheint Lakesh zutiefst zu verachten, und Lakesh behandelt ihn mit äußerster Herablassung, wie eine Art Tier.«
»Die Crasii sind Tiere«, bemerkte der Kerkermeister achselzuckend. »Darin sehe ich nichts Ungewöhnliches.«
»Wie lange sind die beiden schon in gegenüberliegenden Zellen untergebracht?«, fragte Arkady.
»Seit gut einer Woche«, informierte sie der Kerkermeister. »Die ersten Anzeichen dafür, dass es Schwierigkeiten zwischen ihnen gibt, hatten wir am Abend der Hinrichtung. Dem Wärter zufolge hielt Lakesh mit seinem Schmerzensgeschrei in der Nacht den ganzen Trakt wach …«
»Jetzt scheint er keine Schmerzen mehr zu haben.«
Der Kerkermeister zuckte die Achseln, er konnte es sich auch nicht erklären. »Offenbar heilt der Mann schnell.«
»Schnell genug, um ein Unsterblicher zu sein?«, fragte Declan mit hörbarer Skepsis.
Arkady schüttelte den Kopf. »Etwas Derartiges will ich gar nicht andeuten. Habt Ihr den Henker befragt, wie dieser Mann überleben konnte? Ich schätze, das kommt nicht häufig vor?«
Declan nickte. »Da scheint alles seine Ordnung gehabt zu haben.«
»Und vor der Hinrichtung? Haben die beiden miteinander gesprochen?«
Der Kerkermeister zuckte die Schultern. »Es ist Brauch, dass der Henker den Hinrichtungskandidaten um Vergebung bittet. Soviel ich weiß, hat Lakesh ihm die nicht gewährt, sondern sich vielmehr beschwert, dass er lieber geköpft werden wollte.«
»Vielleicht hat ihm der Caelaner ja etwas anderes gewährt – wie etwa eine Bestechungssumme?«, schlug sie vor. Sie sah einfach keine andere Möglichkeit, wie ein Mann die Schlinge überleben und sich so schnell von seinen Blessuren erholen konnte.
»Ich kann Euch versichern, Frau Doktor Desean, was ich auch bereits Master Hawkes gesagt habe – meine Männer sind über solche Verdächtigungen erhaben. Derjenige von ihnen, der am bewussten Tag als Henker einsprang, ist schon seit fast zehn Jahren bei mir. Wenn er von der bestechlichen Sorte wäre, hätte sich das schon lange herausgestellt.«
»Ich bin sicher, dass Ihr das so seht, Kerkermeister«, erwiderte sie und wandte sich Declan zu. »Ich habe angenommen, dass Verbrecher in Lebec geköpft werden.«
»Offenbar war der Scharfrichter im Urlaub«, informierte Declan sie mit einem Unterton, den sie gut kannte.
Arkady verbarg ihr Lächeln hinter ihrer Teetasse und wandte sich wieder dem Kerkermeister zu. »Ich möchte morgen noch einmal mit den Häftlingen reden.«
»Mit den Häftlingen?«, fragte er ein wenig verwirrt. »Mir wurde gesagt, Ihr seiet hier, um den Caelaner zu verhören.«
»Ich möchte, dass der Crasii dabei anwesend ist.«
»Zu welchem Zweck?«, fragte Declan.
»Seine Reaktion auf Lakesh ist faszinierend. Er nennt ihn Suzerain.«
Der Kerkermeister sah verwundert drein. Dieses Wort hatte er noch nie gehört. »Was soll das sein?«
Declan kam Arkady mit der Antwort zuvor. »Es ist eine grobe Schmähung, mit der die Crasii – zumindest in ihren Legenden – die Gezeitenmagier belegen.«
»Das erscheint mir nur folgerichtig«, sagte der Kerkermeister und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Der Mann bezeichnet sich als Gezeitenmagier, und der Crasii beschimpft ihn entsprechend als solchen. Daran gibt es nichts Rätselhaftes.«
»Aber woher soll Lakesh wissen, was ein Suzerain ist?«, fragte Arkady. »Er wusste genau, was das Wort bedeutet. Die Crasii sind hinsichtlich ihrer mündlichen Überlieferung und ihrer Legenden sehr verschwiegen. Soweit ich weiß, sind die einzigen Personen, die die Bedeutung des Wortes Suzerain kennen, die Crasii selbst und die wenigen Menschen, denen es gelungen ist, ihr Vertrauen zu gewinnen.«
»Wie Ihr zum Beispiel?«
Arkady hielt seinem Blick ruhig stand. »Deshalb wurde ich doch um meine Einschätzung als Expertin gebeten, nicht wahr? Weil ich die Crasii studiere und sie die Einzigen sind, die etwas über Gezeitenmagier wissen.«
»Aber ›etwas über Gezeitenmagier wissen‹ setzt voraus, dass sie wirklich existieren«, erinnerte sie der Kerkermeister.
»Für die Crasii tun sie das.«
»Die Crasii sind Tiere, liebe Frau Doktor«, meinte der Kerkermeister. »Jeder halbwegs intelligente Mensch weiß, dass es sich bei ihren Märchen nur darum handelt- Fantasiegeschichten, die Dinge erklären sollen, die zu begreifen sie unfähig sind.«
Declan schüttelte den Kopf. »Das erklärt immer noch nicht Warlocks Reaktion auf Lakesh. Sie ist mir auch aufgefallen, als ich den Gefangenen vernommen
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