Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
hübsch, um Orins Interesse zu erregen muss sie es gewesen sein, aber ich weiß es wirklich nicht mehr. Ich kann mich nur noch an ihren Bauch erinnern, und an die schäbigen Pelze.
Ist es nicht seltsam, wie nach all der Zeit ausgerechnet solche kleinen Details im Gedächtnis hängen bleiben?
Jedenfalls, das Prahlen und Geschichtenerzählen ging weiter. Die Nacht schritt voran, es wurde spät, wir wurden immer betrunkener, und der Schneesturm machte keine Anstalten, sich zu legen. Der junge Ehemann – auch seinen Namen habe ich nie erfahren – trank nur sehr wenig. Die meiste Zeit saß er einfach da und starrte Orin an, der sich zunehmend so aufführte, als wäre die Schwangere seine Frau.
Dann überstürzten sich die Dinge. Der junge Mann stand auf und erklärte, dass er und seine Frau sich nun zurückziehen müssten. Ich glaube, die Schwangere machte sich daran, aufzustehen, und Orin zog sie wieder hinunter, neben sich. Er machte ein paar betrunkene Bemerkungen, dass sie einen echten Kerl schon erkennen würde, wenn sie einen sah. Und dann verkündete er, dass sie sich entschieden härte, die Nacht mit ihm zu verbringen.
Thraxis, der vermutlich betrunkener war als wir anderen zusammen, lachte bei dieser Ankündigung laut auf. Was für ein ganzer Kerl sein Sohn doch war. Schaut ihn euch an!, brüllte der alte Trunkenbold. Ihr schwillt ja schon der Bauch, nur weil sie neben ihm sitzt!
Ich muss zu betrunken gewesen sein, um die Spannung wahrzunehmen, die sich in der Halle aufgebaut hatte. Zumindest merkte ich nichts davon, bis die Situation eskalierte. Ich weiß immer noch nicht, wie es kam, dass ich es schließlich bemerkte. Vielleicht war es der entsetzte Ausdruck im Gesicht der hochschwangeren jungen Frau. Oder dass Thraxis’ Frau versuchte, das Mädchen vom Feuer wegzuziehen. Orin zerrte sie auf seinen Schoß, sobald er bemerkte, was seine Mutter vorhatte.
An diesem Punkt versuchte der Ehemann einzuschreiten.
Zwei von Thraxis' Männern hielten ihn lachend fest, als er Einwände gegen Orins Beschlagnahme seiner Frau erhob. Er schrie auf. Die junge Frau wehrte sich jetzt und versuchte fortzukommen, aber Orin hielt sie mit eisernem Griff gepackt, wie sehr sie sich auch sträubte.
»Helft mir!«, rief sie und sah mich direkt an, als Orin sie niederstieß und begann, die Felle zu zerreißen, in die sie eingewickelt war. »Um der Barmherzigkeit willen, ist denn niemand hier, der mir hilft?«
Sie schrie gellend, als Orin die Felle beiseiteschob und ihre Unterwäsche zerriss. Als er ihre Brüste freilegte, lachte er auf.
Selbst nach achttausend Jahren, in denen ich immer wieder darüber nachgedacht habe, kann ich bis heute nicht sagen, was mich letztlich veranlasste, dazwischenzugehen. Ich kannte das Mädchen nicht, und Orin war ein Freund meiner Kindertage. Im Nachhinein glaube ich nicht, dass ich es aus Ritterlichkeit getan habe; in jenen Tagen war diese schöne Tugend der Menschheit noch nicht geläufig, das kam erst ein paar Jahrhunderte später auf. Es war auch nicht, weil ich es für Unrecht gehalten hätte, eine Frau gegen ihren Willen zu nehmen. Obwohl meine Verlobte Glück hatte –, wir waren wirklich verliebt, und unsere Verbindung kam unseren Familien gelegen – gab es nicht viele Ehefrauen in Kordanien, die freiwillig ins Ehebett kamen. Die Frau deiner Träume zu stehlen und mit Gewalt zu nehmen galt in meinem Land sozusagen als Nationalsport. In unserer Sprache gab es nicht mal ein Wort für Vergewaltigung.
Aber irgendwas in der Stimme der schwangeren jungen Frau löste etwas in mir aus. Bevor ich wusste, was ich tat, war ich schon auf den Füßen. »Lass sie in Ruhe, Orin.«
Orin nahm gerade lange genug den Mund von ihrer Brust, um mich auszulachen. »Warte, bis du dran bist, Gierschlund.«
»Es ist mein Ernst, Orin. Lass sie los.«
Er sah zu mir auf, erstaunt, dass es mir wirklich ernst war. »Du willst um sie kämpfen? Mit mir?«
»Sie gehört dir nicht, Orin«, habe ich wohl gesagt, glaube ich, oder etwas in der Art, das mir bei meinem Metschädel sicher sehr nobel vorkam.
Was immer ich sagte, es reichte, um Orin sehr wütend zu machen. Er stieß die Frau beiseite und kam mühsam auf die Füße. Alle anderen um uns herum brachten sich schnell in Sicherheit, während seine Mutter die junge Frau aus dem Weg zog und die anderen Frauen schnell alle zerbrechlichen Gegenstände entfernten – was sie immer taten, wenn es an Thraxis' Herdfeuer zwischen zwei Männern zu
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