Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
der Ecke von Clydens Schankraum einen ständigen Horcher postieren. Da kommst du innerhalb einer Woche an wichtigere Informationen, als dir dein halbes Dutzend Informanten in einem ganzen Monat auf den Straßen von Lebec zusammenkratzt.«
»Ich werd's mir merken«, sagte Declan und wandte sich Shalimar zu. »Was denkst du, was ich jetzt tun soll?«
»Nach Hause gehen«, erwiderte sein Großvater. »Aber da du ja doch nicht auf mich hörst, schlage ich vor, dass du dich mit dem Ersten Spion von Caelum in Verbindung setzt und ihn warnst, dass es sich bei ihrem künftigen König um einen Hochstapler handelt.«
Declan hielt das nicht für sonderlich Erfolgversprechend. »Glaubst du wirklich, dass man sie so aufhalten kann?«
»Es könnte sie immerhin etwas bremsen«, meinte Maralyce.
»Oder aber Syrolee davon in Kenntnis setzen, dass die Bruderschaft ihnen schon auf der Spur ist.«
»Das Risiko besteht wohl«, bestätigte Shalimar. »Aber es ist eines, das wir eingehen können, wie ich meine. Selbst wenn die Unsterblichen sich noch aus der Zeit vor dem letzten Weltenende an die Bruderschaft des Tarot erinnern, bezweifle ich stark, dass sie uns für eine akute Bedrohung halten.«
Damit hatte Shalimar wahrscheinlich recht. Schließlich legte die Bruderschaft aus gutem Grund so großen Wert auf absolute Geheimhaltung.
»Dann werde ich Folgendes tun. Ich rede mit Ricard Li, wenn ich nach Caelum komme, und warne ihn vor der Gefahr. Fragt sich nur noch, wie ich am besten hinkomme.« Er wandte sich an Maralyce. »Kennt Ihr den Weg nach Caelum?«
»Westwärts«, erwiderte die Unsterbliche wenig hilfsbereit.
»Ich hatte gehofft, Ihr könntet mir eine etwas spezifischere Wegbeschreibung geben.«
»Du willst wohl, dass ich dir jeden geheimen Schleichpfad über meine Berge verrate, was? Nur weil du zu faul bist, um den langen Weg außen herum zu nehmen?«
»Wir haben hier ein Zeitproblem, Mylady.«
»Du vielleicht, Bürschchen. Mir bedeutet Zeit absolut nichts.«
Declan sah seinen Großvater an.
Der alte Mann zuckte die Schultern und nahm einen Schluck aus seiner Teetasse. »Frag mich nicht, Junge. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie man von hier aus nach Caelum kommt.«
Wieder wandte er sich Maralyce zu. »Ich könnte doch eine Abkürzung durch die Mine nehmen, nicht?«
Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis Maralyce zögerlich nickte. »Ich schätze, das könntest du.«
»Wie viele Wochen Reise würde ich dabei sparen?«
»So ziemlich alle.«
»Was meint Ihr damit?«
»Du könntest in vier Tagen auf der anderen Seeseite sein«, gab sie ; etwas unwillig zu. »Wenn ich in der Stimmung wäre, dir den Weg zu zeigen. Bin ich aber nicht.«
Declan wandte sich Hilfe suchend an seinen Großvater. So, wie sie aussah, würde er die Unsterbliche nicht umstimmen können.
»Du könntest ihm doch eine Karte geben«, schlug Shalimar vor.
»Es würde keinen Tag dauern, bis er sich hoffnungslos verirrt hat.«
»Immerhin wärt Ihr mich los«, bemerkte Declan.
Bei diesem Vorschlag leuchteten ihre Augen auf. »Versprochen?«
»Was versprochen?«, fragte Declan lächelnd. »Dass Ihr mich los seid, oder dass ich mich innerhalb eines Tages hoffnungslos verlaufe?«
Die Unsterbliche zuckte die Schultern. »Mir doch egal. Hauptsache, du bleibst mir vom Leib.«
»Gebt mir eine Karte, Mylady, und Ihr werdet nie wieder von mir hören. Zumindest in der nächsten Zeit nicht«, fügte er hinzu.
Maralyce schüttelte den Kopf. »Gezeiten, du bist wirklich so schlimm wie er.«
»Wie wer?«
»Ich nehme an, sie meint mich«, sagte Shalimar. Er lächelte die griesgrämige Unsterbliche voller Zuneigung an. »Ich danke dir, Maralyce.«
»Dank mir nicht, du dummer alter Mann«, knurrte sie und machte sich daran, im Regal neben der Tür nach einigen Blatt Papier und einem Tintenfass zu suchen. »Er wird da drin umkommen, so sicher wie ich unsterblich bin. Und ich werde nicht nach ihm suchen gehen, um ihm ein ordentliches Begräbnis zu verpassen, bloß damit du zufrieden bist.«
Einige Stunden später war Declan gestiefelt und gespornt, sein Bündel auf dem Rücken, eine Laterne in der einen und Maralyce' kostbare Karte in der anderen Hand. Er wandte sich seiner Gastgeberin zu, um sie in der kühlen, schwindenden Nachmittagssonne nachdenklich zu mustern. Von seinem Großvater hatte er sich schon in der Hütte verabschiedet. Shalimar kam nicht heraus, um ihm nachzusehen, denn der Wind war seinen müden alten Knochen zu kalt, wie er sagte.
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